Wie wichtig ist Weiterbildung für die Demokratie? Diese und andere Fragen werden an der Tagung des SVEB und der PHZH «Demokratie durch Weiterbildung stärken – Perspektiven, Herausforderungen und Handlungsmöglichkeiten» diskutiert. Referent Rolf Gollob erläutert vorab, wo auch die Schweiz noch Handlungsbedarf hat.
Wozu braucht es in der Schweiz politische Erwachsenenbildung? Wir sind doch bereits ein demokratisches Land…
Politische Bildung oder Demokratielernen muss ein lebenslanges Lernkonzept sein, weil es alle Menschen befähigen soll, sich aktiv am gesellschaftlichen Leben zu beteiligen und politische sowie wirtschaftliche Entwicklungen zu beurteilen. In einer sich schnell verändernden Welt muss die demokratische Gemeinschaft mit neuen Herausforderungen Schritt halten und sich an gesellschaftliche Veränderungen anpassen, was eine aktive Zivilgesellschaft und die Aufrechterhaltung demokratischer Prozesse sichert.
Wo finden wir in der Schweiz Demokratie im Alltag? Und wo ist unsere Kultur nicht demokratisch?
Der Schweizer Alltag ist von häufig unbewussten demokratischen Prinzipien wie Mitbestimmung, Meinungsfreiheit, Toleranz und das Eingehen auf andere Meinungen durchdrungen. Das gilt in Familien, Vereinen, im persönlichen Umfeld, in der Stärkung von Begegnungsorten und der Möglichkeit der Mitgestaltung am Arbeitsplatz.Erhebliche Mängel gilt es im Bereich der sozialen Benachteiligung zu beschreiben, die oft auf Einkommen, Bildung, Herkunft oder Geschlecht basieren und es den entsprechenden Gruppen erschwert, den Zugang zu und die Teilhabe an Entscheidungsprozessen zu haben.
Wie kann politische Erwachsenenbildung die Demokratie stärken?
Politische Erwachsenenbildung muss zum Ziel haben, möglichst viele Teile der Bevölkerung an Entscheidungsfindungen und der gemeinsamen Lösungsfindung für Probleme, die das eigene Leben und das der Gemeinschaft betreffen zu beteiligen. Dazu müssen Analysekompetenzen, methodische Kompetenzen und Handlungs- und Umsetzungskompetenzen kennengelernt und an konkreten Beispielen eingeübt werden.
Können Sie ein konkretes Beispiel nennen für eine demokratische Kompetenz, die auch in der Schweiz nicht selbstverständlich ist – und wie wir diese fördern können?
Ich beziehe mich auf den Demokratie-Kompetenzrahmen des Europarates (RFCDC), der 20 Demokratiekompetenzen ins Zentrum der Aufmerksamkeit setzt. Die zweite der 20 Kompetenzen wird als ‘Wertschätzung kultureller Diversität’ aufgeführt. Dass es nicht Toleranz der Diversität’ heisst ist äusserst bedeutsam und sollte für die Schweiz, die immer wieder ihre Vielfalt feiert von Bedeutung sein. Diese Kompetenz basiert auf der allgemeinen Überzeugung, dass andere kulturelle Zugehörigkeiten, kulturelle Wandelbarkeit, kulturelle Diversität und der Pluralismus von Sichtweisen, Standpunkten und Praktiken als positiv erachtet, gewürdigt und gepflegt werden sollten. Diese Überzeugung geht nämlich davon aus, dass kulturelle Diversität einen Gewinn für die Gesellschaft darstellt und genutzt werden sollte, um eine demokratische Kultur des gleichberechtigten Zusammenlebens in der Gesellschaft zu entwickeln.
Prof. Dr. h.c Rolf Gollob ist Experte für allgemeine Bildungsfragen und Lehrerausbildung und spezialisiert auf Demokratie- und Menschenrechtsbildung.

