Welche Auswirkungen haben die durch Corona ausgelösten Veränderungen für die Sicherstellung und Weiterentwicklung der Qualität von Weiterbildungen? – Gespräch mit Ueli Bürgi, Leiter Qualitätssicherung und -entwicklung und Geschäftsstellenleiter eduQua, zur Qualität in der Weiterbildung unter veränderten Bedingungen.
In der Weiterbildung der Schweiz sind die Qualitätsstandards hoch. Welche neuen Qualitätsaspekte und -aufgaben sollten Anbieter nun auf Grund der Coronakrise integrieren?
Ueli Bürgi: Im Lockdown mussten viele Anbieter quasi über Nacht Online-Lernangebote «aus dem Boden stampfen». Da standen Qualitätsprozesse naturgemäss nicht im Vordergrund. Seither setzte eine intensive Diskussion zur Umsetzung der grundlegenden Qualitätsanforderungen in digital gestützten Lernformaten ein. Die Angebote wurden zum Beispiel in Bezug auf die didaktischen Konzepte, die Lernmethoden und Lernformen sowie die Gestaltung der Kommunikation überprüft und weiterentwickelt. Die Anbieter haben in die Qualität der Online-Angebote investiert und auch die Erweiterung der didaktischen und technologischen Kompetenzen der Ausbildenden gefördert.
Was bleibt von diesen Veränderungen und in welche Richtung geht die weitere Entwicklung der Lernformate?
Heute ist klar, dass es kein generelles Zurück zum vorwiegenden Präsenzunterricht mehr gibt. Die Coronakrise hat die Entwicklungen im Bereich der Digitalisierung beschleunigt und zum Teil als längerfristige Trends der Weiterbildung verdeutlicht. Die Vielfalt der Angebote ist durch die digitalen Möglichkeiten enorm gestiegen. Zunehmend treten auch internationale Akteure mit Lernformaten wie MOOCs (Massive Open Online Courses, frei zugängliche Online-Kurse) oder Microlearning auf. Neben den Präsenz-, Online- und Blended-Lernangeboten werden hybride Lernräume sowie virtual oder extended reality (XR) Trainingsumgebungen vermehrt genutzt. Passend zu den digital gestützten individualisierten Lernprogrammen und Lernpfaden werden auch intelligente Systeme der Lernbegleitung entwickelt.
Damit müssen die Qualitätsfragen zum Teil neu gestellt werden: Welche Lernprozesse sind in den unterschiedlichen, digital gestützten Formaten in welcher Qualität möglich?
Die neuen Lerngewohnheiten und -bedürfnisse in der Weiterbildung spielen dabei eine grosse Rolle.
Aus verschiedenen aktuellen Befragungen wird sichtbar, dass sich die Lernbedürfnisse zurzeit verändern oder differenzieren. Viele Teilnehmende haben die Vorteile der flexiblen, zeit- und ortsunabhängigen Lernformen erlebt und zunehmend schätzen gelernt. Sie fordern sie auch ein, etwa in Bezug auf die freie Entscheidung, digital oder in Präsenz an Lerneinheiten teilzunehmen. Gleichzeitig werden von vielen Teilnehmenden Bedürfnisse nach sozialer Interaktion und direkter Begegnung geäussert, die in Online-Angeboten nur teilweise befriedigt werden können. Sowohl das individuelle als auch das soziale Lernen in Gruppen haben einen hohen Stellenwert.
Wie prägen diese neuen Bedürfnisse die Qualität von Weiterbildungen?
Die veränderten und heterogenen Bedürfnisse der Teilnehmenden haben einen grossen Einfluss auf die Angebotsgestaltung und die Qualitätsprozesse. Darum stellen wir die Bedürfnisse der Weiterbildungsteilnehmenden und deren Auswirkungen auf die Angebote und die Qualitätssicherung in den Mittelpunkt unserer Nationalen Qualitätstagung vom 25. Oktober 2021, die der SVEB als Verband der Weiterbildungsbranche organisiert.
Welches sind die Themen der Tagung?
Während die Veränderungen bei den Anbietern im Zusammenhang mit der Coronakrise durch verschiedene Befragungen recht gut bekannt sind, tappen wir in Bezug auf die Entwicklungen bei den Weiterbildungsteilnehmenden zum Teil im Dunkeln. An der Tagung bieten wir eine aktuelle Auslegeordnung zu den Lerngewohnheiten, Bedürfnissen und Erwartungen an die Anbieter von unterschiedlichen Teilnehmendengruppen aus verschiedenen Weiterbildungsbereichen. Die Auswirkungen auf die Qualität der Angebote und die Handlungsmöglichkeiten der Anbieter werden wir anhand von ausgewählten Schwerpunkten wie dem hybriden Unterricht, den Lernprozessen in Gruppen und den Anforderungen an die Lehrenden in Untergruppen mit Fachleuten untersuchen.
Was werden die Teilnehmenden als Nutzen mitnehmen?
Die Teilnehmenden können aufgrund der Tagungsresultate besser entscheiden, welche Teilnehmendenbedürfnisse und neuen Lerngewohnheiten für ihre spezifischen Angebote wichtig sind und wie sie diese mit ihren Qualitätsanforderungen vereinbaren können.
Interview: Bettina Whitmore
Bild: Ueli Bürgi