Grundkompetenzen Schweizer Erwachsener im Lesen, in der Alltagsmathematik und im adaptiven Problemlösen  

Das Programme for the International Assessment of Adult Competencies (PIAAC) der OECD stellt die wichtigsten Daten zu Grundkompetenzen in der Schweiz seit 2006. Die Studie wurde erstmals 2011 in fast 40 Ländern durchgeführt. In der Schweiz haben 6648 Erwachsene zwischen 16 und 65 Jahren an der Befragung teilgenommen.

PIAAC misst die Kompetenzen Erwachsener im Lesen, in der Alltagsmathematik und im adaptiven Problemlösen. Getestet wurden diese der ständigen Wohnbevölkerung der Schweiz im Alter von 16 bis 65 Jahren. Personen, die Niveau 1 und tiefer erreichen, werden jener sehr heterogenen Personengruppe zugeordnet, auf welche die Förderung der Grundkompetenzen Erwachsener abzielt. Die vorliegende Zusammenfassung konzentriert sich auf jene Ergebnisse, die die Grundkompetenzen Erwachsener betreffen (Niveau 1 oder tiefer) und stellt diese anhand unterschiedlicher soziodemographischer Merkmale dar.  

Definitionen der drei PIAAC-Kompetenzen auf Niveau 1 und tiefer 

Lesekompetenz: «Das Nutzen, Verstehen und Evaluieren von schriftlichen Texten, um seine eigenen Ziele zu erreichen, sein Wissen und Potenzial weiterzuentwickeln und an der Gesellschaft teilzuhaben.» 

Alltagsmathematische Kompetenz: «Auf mathematische Inhalte, Ideen und Informationen, die auf unterschiedliche Weise dargestellt werden, zugreifen sie nutzen und kritisch damit argumentieren, um mathematischen Anforderungen, die in verschiedenen Kontexten und Situationen des täglichen Lebens eines Erwachsenen auftreten können, zu bewältigen.» 

Adaptives Problemlösen: «Die Fähigkeit, in einer dynamischen Situation eigene Ziele zu erreichen, in der eine Methode zur Lösung nicht sofort verfügbar ist. Dies erfordert kognitive und metakognitive Prozesse, um das Problem zu definieren, nach Informationen zu suchen und die Lösung in einer Vielzahl von Informationsfeldern und Kontexten umzusetzen.» 

Demnach befinden sich die Kompetenzen von 1.67 Mio (30 Prozent) der in der Schweiz wohnhaften Personen zwischen 16 und 65 Jahren in mindestens einer der im Rahmen von PIAAC untersuchten Kompetenzen auf Stufe 1 oder tiefer. Bei den Lesekompetenzen sind es 1.25 (22 Prozent), in der Alltagsmathematik 1.06 Mio (19 Prozent) und im adaptiven Problemlösen 1.38 Mio (24 Prozent). 15 Prozent der Bevölkerung erreichen in allen drei Grundkompetenzen tiefe Werte.

Soziodemografische Merkmale und Grundkompetenzen 

Zusammenfassend zeigen sich aufgeschlüsselt nach soziodemografischen Merkmalen bei den Grundkompetenzen praktisch keine geschlechtsspezifischen Unterschiede, der Anteil mit geringen Grundkompetenzen nimmt mit steigendem Alter zu und mit steigendem Bildungsstand ab. Bei der Gruppe der Personen, deren Hauptsprache nicht mit der Testsprache übereinstimmt, und jener, die vor mehr als 5 Jahren eingewandert sind, ist der Anteil der Personen mit geringen Grundkompetenzen hoch.  

Geschlecht 

Die Grundkompetenzen im Lesen und adaptiven Problemlösen unterschieden sich nicht zwischen den Geschlechtern. Signifikante Unterschiede gibt es bei der Alltagsmathematik. 21 Prozent der Frauen und 16 Prozent der Männer befinden sich auf Niveau 1 oder tiefer. 

Bildungsstand 

Kompetenzen hängen stark mit dem Bildungsstand zusammen. Abhängig vom höchsten Bildungsabschluss zeigen sich starke Unterschiede in den Grundkompetenzen. 40 Prozent der Personen ohne nachobligatorischen Abschluss sind in allen drei Kompetenzbereichen auf Niveau 1 und tiefer zu finden. Lesekompetenzen auf Niveau 1 und tiefer weisen 44.2 Prozent der Erwachsenen ohne nachobligatorischen Abschluss auf, das entspricht 403’000 Erwachsenen. Die 22.9 Prozent auf Niveau 1 und tiefer bei den Personen mit Abschluss auf Sekundarstufe II entsprechen 430’000 Erwachsenen. Auch Personen mit Höherer Berufsbildung (HBB) (12 Prozent oder 83’000 Erwachsene) und solche mit Hochschulabschluss (5.5 Prozent oder 81’000 Erwachsene) weisen bei den Lesekompetenzen Niveau 1 oder tiefer auf.  

Grundkompetenzen und Bildungsstand: Anteil Personen mit geringen Kompetenzen (Niveau 1 und tiefer) und Bildungsstand.
(Eigene Darstellung, Daten aus BFS 2024, T3.3.1, TA A8) 

Arbeitsmarktstatus  

Die Grundkompetenzen variieren je nach Arbeitsmarktstatus stark. 18 Prozent oder 797’000 der Erwerbstätigen verfügen im Lesen über Kompetenzen auf Niveau 1 oder tiefer. In der Alltagsmathematik liegt der Wert bei 15 Prozent respektive 657’000 Erwerbstätigen. In allen drei Bereichen tiefe Kompetenzen haben 11 Prozent oder 481’000 Erwerbstätige. Auffällig ist, dass die Grundkompetenzen Erwerbsloser geringer ausfallen als jene von Nichterwerbspersonen und insbesondere von Erwerbstätigen. Dies trifft auf alle drei in PIAAC gemessenen Kompetenzen zu. Im Bereich Lesen haben 35 Prozent der Erwerbslosen oder 53’000 Personen Mühe einzelne Informationen in kurzen Texten zu erfassen oder Bedeutungen auf Satzebene zu verarbeiten und die Sinnhaftigkeit von Sätzen zu beurteilen. 

Grundkompetenzen und Arbeitsmarktstatus: Anteil Personen mit geringen Kompetenzen (Niveau 1 und tiefer) nach Arbeitsmarktstatus
(Eigene Darstellung, Daten aus BFS 2024, T3.3.1, TA A8) 

Alter 

Ältere Personen weisen geringere Kompetenzen in allen drei gemessenen Grundkompetenzen auf. 31.7 Prozent oder 378’000 Personen im Alter von 56-65 Jahren verfügen über Lesekompetenzen auf Niveau 1 oder tiefer. Im Zusammenhang mit diesen Zahlen ist zu beachten, dass Personen über 65 Jahre nicht in der Stichprobe erfasst sind. Es ist daher davon auszugehen, dass bei Personen über 65 Jahren der Anteil mit geringen Grundkompetenzen noch grösser ist.  

Grundkomptenzen und Alter: Anteil Personen mit geringen Kompetenzen (Niveau 1 und tiefer) nach Alter
(Eigene Darstellung, Daten aus BFS 2024, T3.3.1, TA A8) 

Grundkompetenzen und Sprachhintergrund 

Die Ergebnisse in der Testsprache hängen davon ab, ob diese der Hauptsprache entspricht. Daher wird im Bericht zwischen der Haupt- und der Testsprache unterschieden. Sprachinkongruente Personen, bei denen die Testsprache nicht mit der Hauptsprache übereinstimmt, machen 19 Prozent der Gesamtbevölkerung aus, während sprachkongruente Personen, bei denen die Testsprache mit der Hauptsprache übereinstimmt, 78 Prozent der ständigen Wohnbevölkerung ausmachen. 

Der Anteil der Personen mit ungenügenden Kenntnissen in der Testsprache an der ständigen Wohnbevölkerung der Schweiz im Alter von 15-65 wird auf 3 Prozent geschätzt. Sie sind im Vergleich zur Gesamtbevölkerung in der Gruppe der Personen mit geringen Grundkompetenzen deutlich übervertreten. Allerdings konnte mit Personen mit ungenügenden Kenntnissen in der Testsprache keine Tests durchgeführt werden, weshalb sie in den Daten in Form von Schätzungen berücksichtigt sind. Diese Schätzungen beruhen auf Kurzinterviews mit diesen Personen. Die Testwerte wurden aufgrund der verfügbaren Informationen anhand eines statistischen Modells geschätzt. Diese Personen hätten möglicherweise bessere Testwerte erzielt, wenn die Testsprache ihrer Hauptsprache entsprochen hätte.  

Prozentuale Verteilung der Personen mit geringen Kompetenzen (Niveau 1 oder tiefer) und der Gesamtbevölkerung nach Sprachprofil in Prozent.
(Eigene Darstellung, Daten aus BFS 2024, G3.3.4)

Geringe Grundkompetenzen nach Sprachprofil  

Das Migrations- und Sprachprofil gibt Auskunft über die Grössenordnungen der Personengruppen mit Schweizer Nationalität oder in der Schweiz geborener und eingewanderter Personen, jeweils mit und ohne Übereinstimmung zwischen Test- und Hauptsprache. 

  • 12.1 Prozent oder 455’000 Personen Schweizer Nationalität oder in der Schweiz geborener, deren Hauptsprache mit der Testsprache übereinstimmt (Sprachkongruenz), verfügen über geringe Lesekompetenzen. 38.4 Prozent oder 174’000 Personen Schweizer Nationalität, deren Hauptsprache nicht mit der Testsprache übereinstimmt (Sprachinkongruenz), lesen auf Niveau 1 oder tiefer.  
  • 61.5 Prozent oder 494’000 der sprachinkongruenten Eingewanderten haben geringe Lesekompetenzen. 21.9 Prozent oder 130’000 der sprachkongruenten eingewanderten Personen verfügen über geringe Lesekompetenzen. 
  • Der Anteil der sprachkongruenten Personen mit alltagsmathematischen Kompetenzen auf Niveau 1 oder tiefer liegt bei 9.5 Prozent oder 357’000 Erwachsenen bei den sprachkongruenten Eingewanderten bei 18.3 Prozent oder 108’000 Personen. 
  • Die alltagsmathematischen Kompetenzen der sprachinkongruenten Personen sind tiefer. 53.6 Prozent oder 431’000 Eingewanderte Erwachsene sind betroffen und 37 Prozent oder 168’000 sprachinkongruente Personen mit Schweizer Nationalität.  

Sprachprofil und Bildungsstand 

Der Bildungsstand ist ein weiteres Merkmal zur Beschreibung der Personen mit geringen Kompetenzen nach Sprachprofil. 

  • In der Gruppe der sprachkongruenten Personen mit geringen Grundkompetenzen in allen drei Bereichen ist mit 51 Prozent ein Abschluss auf Stufe Sek II am häufigsten vertreten. 39 Prozent verfügen nicht über einen nachobligatorischen Abschluss. Bei den sprachkongruenten Personen mit einem Abschluss auf Stufe Sek II verfügen 57 Prozent über Lesekompetenzen auf Niveau 1 oder tiefer. Damit sind Personen ohne Abschluss und insbesondere jene mit Abschluss auf Stufe Sek.II Abschluss in dieser Gruppe im Vergleich zur Gesamtbevölkerung klar übervertreten.  
  • Stimmt die Testsprache nicht mit der Hauptsprache (Sprachinkongruenz) überein, haben 52 Prozent der Personen mit geringen Kompetenzen in allen drei Bereichen keinen nachobligatorischen Abschluss, 34 Prozent einen Abschluss auf Stufe Sek II und 14 Prozent einen Tertiärabschluss. In der ständigen Wohnbevölkerung von 16-65 (Gesamtbevölkerung) verteilen sich die Abschlüsse zu jeweils einem Drittel.  
Prozentuale Verteilung der Personen mit geringen Kompetenzen (unter Niveau 1 und Niveau 1) nach Sprachprofil und Bildungsstand
(Eigene Darstellung, Daten aus BFS 2024, G.3.3.8)

Sprachprofil und Alter 

Das Altersprofil der Personen mit geringen Kompetenzen variiert in Abhängigkeit vom Sprachprofil. Dasjenige von sprachinkongruenten Personen entspricht annähernd ihrer Verteilung in der Gesamtbevölkerung. Sprachkongruente Personen mit geringen Lesekompetenzen bzw. geringen Kompetenzen in allen drei Bereichen weisen mit Abstand das höchste Durchschnittsalter auf. Ihr Anteil liegt jeweils bei 65 Prozent. 

Prozentuale Verteilung der Personen mit geringen Kompetenzen (Niveau 1 und tiefer) nach Sprachrofil und Alter
(Eigene Darstellung, Daten aus BFS 2024, G.3.3.6 )

Zusammenfassend lassen sich bei Erwachsenen mit tiefen Werten in allen drei gemessenen Bereichen anhand ihres Sprachprofils (gemäss PIAAC) folgende Charakteristika feststellen: 

  • 20 Prozent der Personen in der Schweiz mit tiefen Werten in allen drei gemessenen Kompetenzen gehören jener Gruppe an, die aufgrund zu geringer Sprachkompetenzen nicht am PIAAC-Test teilnehmen konnten. In der Gesamtbevölkerung macht ihr Anteil 3 Prozent aus. Sie sind somit in der Gruppe der Personen mit geringen Grundkompetenzen übervertreten. In dieser Gruppe sind 35% sind maximal 5 Jahre in der Schweiz und verfügen zu ebenfalls 35 Prozent über einen Tertiärabschluss. 
  • 42 Prozent der sprachinkongruenten Personen in der Schweiz weisen tiefe Werte in allen drei gemessenen Kompetenzen aus. Ihr Altersprofil ist relativ ausgeglichen. 55 Prozent befinden sich seit mehr als 5 Jahren in der Schweiz und nur 11 Prozent kürzer als 5 Jahre. 52 Prozent verfügen nicht über einen nachobligatorischen Abschluss.  
  • Sprachkongruente Personen machen 38 Prozent aller Erwachsenen mit geringen Grundkompetenzen in allen drei Bereichen aus. Der Anteil der 46–65-Jährigen ist im Vergleich zu den anderen Gruppen deutlich am höchsten. Der höchste Bildungsabschluss dieser Gruppe ist der Sekundarabschluss II mit 51 Prozent. Der Anteil der Personen mit diesem Sprachprofil an der Gesamtbevölkerung beträgt 78 Prozent. 

Bund fördert Grundkompetenzen von Erwachsenen 

Der Bund will anhand der Erkenntnisse aus der internationalen Studie seine Förderstrategien gezielt verbessern. Das Weiterbildungsgesetz ermöglicht es den Kantonen, Programme zur Förderung der Grundkompetenzen anzubieten. Der SVEB setzt sich z.B. mit den Gutscheinprojekten und dem Förderschwerpunkt «Einfach besser! … am Arbeitsplatz» dafür ein. Weiter können Sprachkurse als arbeitsmarktliche Massnahmen für registrierte arbeitslose Personen im Rahmen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes oder im Rahmen der kantonalen Integrationsprogramme KIP für neu zugezogene Migrantinnen und Migranten erfolgen.

Die gewonnenen Daten können dabei helfen, die Massnahmen effektiver auf die Bedürfnisse der Zielgruppen abzustimmen. Um die Wirksamkeit der Programme zu erhöhen, arbeitet der Bund eng mit interkantonalen und nationalen Gremien zusammen. Ziel ist es, den Erwachsenen in der Schweiz die Kompetenzen zu vermitteln, die sie in Beruf und Alltag brauchen.

Kontakt

Cäcilia Märki
Leiterin Bereich Grundkompetenzen

+41 (0)44 319 71 58
caecilia.maerki@alice.ch