Die Teilnehmenden beim GO-Workshop

Das GO-Modell für Kirgistan: «Ich bin beeindruckt»


Auch in Kirgistan sollen arbeitsplatzspezifische Kurse für Betriebe und Mitarbeitende entstehen. Das GO-Modell des SVEB kann dabei unterstützen. Cäcilia Märki, Leiterin Bereich Grundkompetenzen, berichtet von ihrem Aufenthalt in Bishkek.

Bericht: Cäcilia Märki

Am Morgen des 20. Mai finden sich 50 Personen im Smarthotel in Bishkek zum Start eines 5 Tage dauernden Trainings ein, sie wollen das Schweizer GO-Modell kennenlernen. Eingeladen hat das CHeber Skills Development Projekt, eine auf 12 Jahre angelegte Initiative der Schweizer Botschaft und Helvetas Kirgistan. Das Projekt ist im Dezember 2023 gestartet und verfolgt das Ziel, einen Markt für non-formale Bildung in Zusammenarbeit mit Unternehmensverbänden sowie privaten und öffentlichen Bildungsanbietern zu unterstützen. Das GO-Modell des SVEB soll das Knowhow für arbeitsplatzspezifische Kursangebote für kirgisische Betriebe und Mitarbeitende bereitstellen.

Grundkompetenzen in Kirgistan

Die Förderung der Grundkompetenzen von Erwachsenen ist in Kirgistan kein explizites Thema. Es gebe kaum Migration nach Kirgistan, heisst es, es werde russisch und kirgisisch gesprochen und geschrieben. Landessprache ist Kirgisisch, Russisch werde vor allem auf dem Land nicht gut beherrscht. Was ich immer wieder höre, ist, dass die Teilnehmenden im Anschluss an eine fachliche Qualifizierung keine praktische Erfahrung haben, was für Betriebe eine grosse Herausforderung sei. Rasch bestätigen die Teilnehmenden im Laufe des Trainings, dass für die Förderung der Grundkompetenzen im Lesen, Schreiben, Rechnen und der Anwendung von IKT insbesondere in den Betrieben ein grosser Bedarf bestehe.

Die 16 Teilnehmenden des Trainings sind in Unternehmensverbänden beschäftigt oder als Bildungsanbieter aktiv. Das Training startet mit einer vertieften Präsentation des GO-Modells, den vier Funktionen, dem GO-Prozess, der Umgang mit den Deskriptoren und den Methoden der Anforderungsanalyse.

Besuch im Textilbetrieb

Mit den nötigen Grundlagen ausgerüstet konnten die Teilnehmenden am dritten Tag den Textilbetrieb ausserhalb von Bishkek besuchen. Eine Anforderungsanalyse in einem konkreten Betrieb machen zu können, ermöglicht es, ein zentrales Element im GO-Prozess praktisch erfahren zu können. Nach der Ankunft im Betrieb versammeln wir uns um den grossen Tisch im Sitzungszimmer, um den Bedarf aus der Sicht des CEO der Firma abzuholen. Der Chef ist offen für die Ergebnisse der Beobachtungen und Eindrücke der Besucherinnen und Besucher. Er betont, dass er Massenware herstellt und die Ansprüche an die Qualität gering sind. Einen konkreten Weiterbildungsbedarf kann er nicht nennen, ist jedoch überzeugt, dass vor allem die mittlere Führungsebene Unterstützungsbedarf habe. Eine Zusage, ob tatsächlich ein Kurs umgesetzt werden kann, gibt es nicht, er ist aber an den Ergebnissen der Analysen interessiert.

Im Anschluss können wir die unterschiedlichen Unternehmensbereiche besichtigen: die Näherei, den Zuschnitt, die Verpackung und die Qualitätskontrolle. In drei Gruppen besuchen wir alle Abteilungen, dürfen beobachten, fotogarfieren und mit Mitarbeitenden sprechen.

Arbeitsbedingungen: wenig Pausen

Der Betrieb produziert Massenware am Fliessband für den russischen Markt. In fünf parallelen «Linien» wird von den Näherinnen und einzelnen Nähern, vornehmlich aus Bangladesch und Indien, eine einzelne Naht im Akkord ausgeführt. Die Näherinnen erhalten einen Stückpreis und verdienen zwischen 20’000 und 50’000 Som pro Monat (200-500 Euro), was einem kirgisischen Durchschnittslohn entspricht.

Brigadierinnen unterstützen als Teamleiterinnen die Arbeit der Näherinnen, erstellen einen Zeitplan für die Produktion, kümmern sich um korrekte Einstellungen der Nähmaschinen. Der Zuschnitt ist automatisiert. Mithilfe einer Software wird für jedes Produkt ein Schnittprogramm erstellt und schliesslich zugeschnitten. Schriftliche Mitteilungen sind in russischer Sprache verfasst. Am Morgen gibt es 15 Minuten Pause, für das Mittagessen stehen 30 Minuten zur Verfügung. Am Nachmittag wird bis 18.15 ohne Pause durchgearbeitet. Die Frauen stammen mehrheitlich aus den umliegenden Dörfern, sie werden morgens mit Kleinbussen abgeholt und abends nach Hause gebracht.

Anforderungsprofile und Standortbestimmungen

Am Nachmittag sammeln und strukturieren die Teilnehmenden die Eindrücke aus dem Betrieb. Schnell wird klar, dass drei Anforderungsprofile entwickelt werden. Eines für die Näherinnen, eines für die Brigadierinnen und eines für die Mitarbeitenden des Zuschnitts. Für jede der drei Handlungsfelder ist eine beeindruckende Menge an Situationen gesammelt, priorisiert und den Deskriptoren zugeordnet worden. Es entstehen drei Anforderungsprofile, die als Grundlage für die Erhebung des Lernbedarfs bei den Mitarbeitenden selbst dienen. Die Teilnehmenden entwickeln sehr konkrete Testaufgaben und Interviewleitfäden für die drei Beschäftigtengruppen im Textilbetrieb. Ich bin beeindruckt, wie effizient mit den Instrumenten des GO-Modells gearbeitet wird.

Der letzte Tag dient dem Verfassen von Kurskonzepten für die drei Anforderungsprofile. Die Teilnehmenden arbeiten in Gruppen mit einer Vorlage für ein Kurskonzept und präsentieren ihre Angebote einem imaginierten «Ilias», dem Firmenchef, mit dem Ziel, ihn von ihren Kurskonzepten zu überzeugen.

Feedback: grosse Zufriedenheit

Die Zufriedenheit mit dem 5-tägigen Training bei den Teilnehmenden ist hoch. Das GO-Modell sei sehr relevant für den kirgisischen Bedarf und es komme genau zur rechten Zeit. Es sei flexibel, weise einen klar strukturierten Prozess auf und insbesondere die Anforderungsanalyse und die Standortbestimmungen werden als sehr nützlich erlebt. Man wolle damit weiterarbeiten und es für den kirgisischen Bedarf auch für Stellensuchende und die berufliche Qualifizierung anpassen.

Wie geht es weiter?

Die Projektziele von CHeber sind ambitioniert. Bis Ende 2027 sollen 4’500 Kursteilnahmen im Skills Development Projekt gezählt werden. Dafür braucht es eine beträchtliche Anzahl von Partnerorganisationen im ganzen Land und Trainerinnen und Trainer, die das GO-Modell weitervermitteln. Die Teilnehmenden geben in ihrem Feedback dem Projekt CHeber das klare Signal, dass sie für die weitere Zusammenarbeit bereit sind. Das Training war ein gelungener Startschuss und für mich persönlich eine sehr bereichernde Erfahrung.

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