«Die Bildungsagenda 2030 muss auch in der Schweiz umgesetzt werden»


Innerhalb des Systems der Vereinten Nationen koordiniert die UNESCO die Umsetzung des Nachhaltigkeitsziels 4, auch «Bildungsagenda 2030» genannt. Das Sekretariat der Schweizerischen UNESCO-Kommission berichtet im Interview über sein Engagement.

Frau Wild, Frau Schwander, was macht die UNESCO? Und was ist das Bildungsziel der Agenda 2030?
Das E von UNESCO steht für Education. Die UNESCO ist DIE Bildungsorganisation weltweit. Sie ist deshalb auch zuständig für die Führung und Koordinierung des Bildungsziels der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Diese Agenda wurde von den UNO-Mitgliedsländern 2015 verabschiedet und enthält 17 Sustainable Development Goals (SDG), also Ziele für nachhaltige Entwicklung. Das SDG 4 betrifft die Bildung und strebt an, bis 2030 «für alle Menschen inklusive, chancengerechte und hochwertige Bildung sowie Möglichkeiten zum lebenslangen Lernen» sicherzustellen.

Um dieses Ziel zu erreichen, hat die UNESCO mit diversen weiteren Akteuren den Aktionsrahmen Bildung 2030 ausgearbeitet, der die Staaten bei der Umsetzung des Bildungsziels (auch Bildungsagenda 2030 genannt) unterstützen soll und aufzeigt, wo global noch Handlungsbedarf besteht. Die Bildungsagenda 2030 ist zusammengesetzt aus sieben Unterzielen, welche verschiedene Themen betreffen wie beispielsweise die obligatorische Schule, aber auch die frühkindliche Bildung oder den Erwerb ausreichender Lese-, Schreib- und Rechenfähigkeiten für alle Jugendlichen und Erwachsenen.

Welche Aufgabe hat die Schweizerische UNESCO-Kommission dabei?
Die UNESCO-Nationalkommissionen, welche in allen UNESCO-Mitgliedsstaaten existieren, setzen sich für die Bekanntmachung der UNESCO und deren Tätigkeiten auf lokaler Ebene ein. In diesem Sinne engagiert sich die Schweizerische UNESCO-Kommission für die Bekanntmachung der Bildungsagenda 2030 in der Schweiz. So organisiert die SUK beispielsweise einmal im Jahr die sogenannte Plattform Bildung 2030, um Bildungsakteure zu sensibilisieren und Kooperationen unter den Akteuren zu fördern.

Es ist uns auch wichtig zu kommunizieren, dass wir die Bildungsagenda 2030 auch in der Schweiz umsetzen müssen. Denn im Vergleich zu früheren Agenden wie beispielsweise den Millenium Development Goals ist bei der Agenda 2030 neu, dass sie von allen Staaten umgesetzt werden muss, also auch von der Schweiz. Das heisst, wir müssen unseren Blick nach innen richten und analysieren, wo es auch bei uns noch Verbesserungspotential gibt, trotz unseres grundsätzlich guten Bildungssystems. Selbstverständlich blicken wir aber auch nach aussen und unterstützen andere Länder bei der Umsetzung der Agenda 2030.

Wie wird definiert, welche Themen in der Schweiz umgesetzt werden müssen?
In der Schweiz wurde ein grosser Prozess in Zusammenarbeit mit allen involvierten Akteuren gestartet. In einem ersten Schritt analysierten alle beteiligten Bundesstellen den Handlungsbedarf für die Schweiz und wie die einzelnen Punkte umgesetzt werden können, auch nicht-staatliche Akteure wurden dabei konsultiert. 2018 hat die Schweiz schliesslich einen Länderbericht für die UNO erarbeitet. Das tun wir alle vier Jahre. Der Länderbericht hält die prioritären Themen für die Schweiz fest. Derzeit finden Konsultationen für den nächsten Länderbericht 2022 statt. Auch der SVEB wurde konsultiert.

Ganz konkret: bei welchen Themen besteht in der Schweiz Handlungsbedarf?
Im Bereich der Bildung wurde im Länderbericht 2018 vor allem für die frühkindliche Bildung Handlungsbedarf genannt. Gemäss der Schweizerischen UNESCO-Kommission gibt es noch mehr Felder, wo in der Schweiz Handlungsbedarf besteht. Diese erwähnen wir in unserem Positionspapier zur Umsetzung der Bildungsagenda 2030 in der Schweiz. Im Positionspapier wird auch die Erwachsenenbildung genannt.

Wir erwähnen diesbezüglich, dass das Recht auf Bildung ein Leben lang besteht. Auch im Erwachsenenalter. In der Schweiz verfügen viele Erwachsene über keine ausreichenden Grundkompetenzen, um sich voll und ganz an der Gesellschaft zu beteiligen. Es braucht deshalb noch mehr Angebote, die allen zugänglich sind, um die Erwachsenenbildung in der Schweiz inklusiver zu gestalten.

Wo kommt die Weiterbildung in der Bildungsagenda vor?
Die Weiterbildung ist zusammen mit der frühkindlichen Bildung, also den Möglichkeiten guter Rahmenbedingungen ab Geburt, ein extrem wichtiger Pfeiler für das Leitprogramm des lebenslangen Lernens. Für die Erwachsenenbildung gibt es kein konkretes Unterziel, welches ausschliesslich die Erwachsenenbildung betrifft. Aber die Unterziele 4.4, 4.6 und 4.7 beziehen sich auf Jugendliche und Erwachsene und die Weiterbildung spielt eine wichtige Rolle für die Umsetzung dieser Unterziele. Als Beispiel kann man das Unterziel 4.7 zum Thema Global Citizenship Education und Bildung für nachhaltige Entwicklung nennen.

Welche Rolle spielt die Weiterbildung im internationalen Kontext?
Die Frage ist schwer zu beantworten, aber wir haben den Eindruck, dass das Thema insgesamt wichtiger geworden ist und es immer mehr Staaten gibt, die sich für Adult Education einsetzen. Früher wurde im internationalen Kontext oft nur von der obligatorischen Schulbildung gesprochen, jetzt ist man sich der Wichtigkeit des lebenslangen Lernens bewusst, was auch in der Bildungsagenda 2030 zum Ausdruck kommt. Die Agenda ist deshalb ein riesiger Schritt für die Erwachsenenbildung, weil das lebenslange Lernen ein Hauptziel davon ist. Dadurch wird der non-formale und informelle Bildungsbereich und deren Wichtigkeit sichtbarer.

Die siebte Weltkonferenz für Weiterbildung CONFINTEA steht vor der TürWie trägt die CONFINTEA 2022 zur Erreichung der Bildungsagenda 2030 bei?
Die CONFINTEA gibt es schon viel länger als die Agenda 2030, und auch das UNESCO Institute for Lifelong Learning. Sowohl das Institut als auch die CONFINTEA haben sich nach der Adoption der Agenda 2030 überlegt, wie sie sich auf die neue Agenda ausrichten können. Wenn man sich das UNESCO Institute for Lifelong Learning und die CONFITEA als Schiffe vorstellt, könnte man sagen, sie haben nun durch die Agenda 2030 und die Bildungsagenda 2030 einen neuen Leuchtturm erhalten, an dem sie sich fortan orientieren.

Da die Agenda 2030 und auch die Bildungsagenda 2030 thematisch sehr breit sind, ist es wichtig, dass es Prozesse wie die CONFINTEA gibt, damit gewisse Themen der Bildungsagenda 2030 vertieft diskutiert werden können.

Interview: Marianne Müller

Zu den Personen:

Corinne Wild und Clara Schwander sind Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und arbeiten im Sekretariat der Schweizerischen UNESCO-Kommission.

V. l. n. r.: Clara Schwander und Corinne Wild vom Sekretariat der Schweizerischen UNESCO-Kommission

Kostenloser Workshop für Weiterbildungsakteure zur Professionalisierung der Weiterbildung

2022 findet die Weltkonferenz für Weiterbildung CONFINTEA VII statt, die sich nach der Bildungsagenda 2030 ausrichtet. Der SVEB lädt interessierte Weiterbildungsakteure ein, sich im Vorfeld mit zentralen Themen dieser wichtigen Konferenz auseinanderzusetzen.

Der nächste Workshop findet am 8. Dezember 2021 zum Thema Professionalisierung statt. Ziel ist es, die internationalen Tendenzen in der Professionalisierung zu erkennen und die Transferierbarkeit des Schweizer AdA-Baukastensystems auszuarbeiten.