Qualität und Preis von Online-Lernangeboten: Transparenz und klare Positionierung gefordert


Wie viel dürfen Online-Lernangebote kosten? Diese aktuelle Frage beschäftigt viele Weiterbildungsanbieter und selbstständige Ausbildende sehr. Am 10. Juni 2021 führte der SVEB einen Online-Vertiefungsworkshop zu diesem Thema durch. Rund 75 Personen diskutierten engagiert über die Herausforderungen bei der Preisgestaltung sowie die Zusammenhänge von Preis, Wert und Qualität bei den unterschiedlichen digitalen Lernformaten.

Der Workshop war eine Folge-Veranstaltung zur nationalen Qualitätstagung vom 9.11.20 zur Qualitätssicherung in Online-Angeboten. Er wurde vom SVEB in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe Qualität in der Weiterbildung organisiert. Den Link zur Aufzeichnung des Online-Vertiefungsworkshops vom 10.6.21 finden Sie am Ende dieser Seite.

Forum für weiteren Austausch und Diskussionen

Die Veranstaltung hat gezeigt, dass die Fragen rund um Qualität, Wert und Preis bei Online-Angeboten für viele Anbieter und Ausbildende aktuell und brisant sind. Es bestehen auch verschiedene Bedürfnisse zur Vertiefung und Konkretisierung von Themen. So wurde beispielsweise der Wunsch nach Best Practices und einem Kalkulationsraster mit den spezifischen Faktoren für Online-Angebote geäussert.

Der SVEB stellt auf seiner Plattform SVEB.space ein Forum zur Verfügung und schlägt drei Themen zur Diskussion vor:

  • Kalkulation und Preisfestlegung von Online-Lernangeboten
  • Qualitätsanforderungen an digitale Lernformate, Qualität als USP
  • Wachsende Konkurrenz und internationaler Markt

In diesem Forum können Sie die Themen aufgreifen, die Diskussion weiterführen oder selbstständig neue Lern- oder Austauschveranstaltungen vorschlagen und durchführen.

Die Sicht der Weiterbildungsanbieter

Die Weiterbildungsanbieter sehen sich auf dem Markt mit einer geringeren Zahlungsbereitschaft von Teilnehmenden und teilweise auch von Auftraggebern konfrontiert. Stefanie Seiz vom Weiterbildungs- und Beratungsunternehmen Change Management Partner CMP zeigte in ihrem Beitrag anhand von Beispielen eindrücklich auf, wie die Kosten für die Konzeption und Erstellung von eigenständigen Online-Lernformaten in einem ersten Schritt stark ansteigen. Sie rechnet bei Kursformaten mit einem rund doppelt so hohen Aufwand gegenüber einer Präsenzveranstaltung.

Allerdings gibt es auch Einsparungen, insbesondere durch den Wegfall der Reisezeiten und Spesen. Und die hohen Kosten für die Erstellung von Konzepten und Lernmaterialien für die selbstständigen Lernprozesse können bei einem entsprechenden Mengengerüst längerfristig amortisiert werden. Auch sehr kurze Formate von 1 bis 2 Stunden lassen sich gemäss ihrer Einschätzung besonders gut digital durchführen. Gratis-Veranstaltungen seien hingegen nur als «Teaser» für neue Angebote sinnvoll.

Nutzen und Sinn für Teilnehmende stehen im Zentrum

Entscheidend sind der Nutzen und der Sinn von Online-Lernsettings, der für die Teilnehmenden und Auftraggeber einsichtig sein müsse. Frau Seiz betonte ihre Grundhaltung, dass digital gestützte Lernprozesse gleichwertig sein sollten wie Blended Learning oder Präsenzlernen. Es brauche explizite Qualitätsleitlinien, z. B. für die didaktische Struktur und für das Verhältnis von Nähe und Distanz. Die Qualitätsanforderungen müssen zudem anhand klarer Kriterien überprüft werden. Als qualitativ hochstehende, eigenständige Lernangebote können sich Online-Formate auch in einem zunehmend internationalen Markt behaupten.

Die Sicht von selbstständigen Ausbildenden

In jedem Fall müssen die Ausbildenden ihre Qualifikationen erweitern. Eric Basler, selbstständiger Ausbilder mit langjähriger Erfahrung in Online-Trainings, schilderte anschaulich die unterschiedlichen Ebenen, auf denen er als Trainer und Moderator in Online-Settings aktiv ist. Neben der Didaktik und Kommunikation habe die Ebene der Technik eine hohe Bedeutung. Selbstständige müssten bei der Infrastruktur, der Software und der eigenen Qualifikation Investitionen tätigen, die nur langfristig zu amortisieren seien. Die konkrete Kalkulation hänge stark davon ab, welchen Rahmen die Auftrag gebende Institution bei bestimmten Lernangeboten zur Verfügung stellt. Nach seiner Einschätzung gleichen die zusätzlichen Aufwendungen die möglichen Einsparungen aus oder liegen eher höher.

Auch für Eric Basler ist der entscheidende Punkt die Qualität des digital gestützten Lernangebotes: Die Zufriedenheit der Teilnehmenden stehe an erster Stelle. Für den Lernerfolg seien der individuelle Kontakt und die Begleitung der selbstständigen Lernprozesse zentral. Die Zukunft sieht er in den verschiedenen Formen des Blended Learnings, welche die Vorteile der unterschiedlichen Lernformate nutzen und adäquat kombinieren.

Zwischen Qualitätsansprüchen und Konkurrenz: die Sicht der Workshop-Teilnehmenden

Zu Beginn des Workshops schätzte die Hälfte der Teilnehmenden die Kosten von Online-Angeboten im Vergleich zu Präsenzveranstaltungen als gleich hoch ein; mehr als 30% schätzten die Kosten als niedriger ein. Die Anforderungen an die Ausbildenden bei digitalen Lernformaten bewerteten zwei Drittel als «nicht höher, sondern anders» und rund 30% als «eindeutig höher» im Vergleich zur Durchführung von Präsenzveranstaltungen.

In den Diskussionen der Untergruppen wurde die zentrale Fragestellung nach dem angemessenen Preis von Online-Angeboten vor dem Hintergrund der eigenen Praxis diskutiert und vertieft. Dabei wurde deutlich, dass digitale Lernformate in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen werden, auch im Zusammenhang mit der Digitalisierung der Arbeitswelt. Die Anbieter müssen nachhaltige und adäquate Lernformate für konkrete Themen und Zielgruppen entwickeln. Dabei ist unbedingt auf das Wording zu achten. Synchrone, begleitete Kursangebote mit mehreren Lernphasen sind nicht zu vergleichen mit individuellen Lernprogrammen, die asynchron bearbeitet werden und im Prinzip für eine unbeschränkte Zahl von Teilnehmenden angeboten werden können.

Vor- und Nachteile für Teilnehmende

Zu beachten ist, dass auch Teilnehmende für den erfolgreichen Besuch von digitalen Lernformaten zusätzliche Fähigkeiten erwerben müssen. Beim Zugang zur Weiterbildung können sich bestehende Ungleichheiten verstärken, da viele Personen die nötige Infrastruktur nicht mitbringen. Anderseits können digital gestützte Lernformen für Menschen mit bestimmten Beeinträchtigungen auch neue Zugangsmöglichkeiten bieten.

Positionierung von Angeboten

Wenn Anbieter die Online-Angebote positionieren wollen, müssen die Vorteile der digitalen Lernformen aufgezeigt werden: Die grössere Zeitautonomie, die geringeren Spesen und gleichbleibender oder grösserer Lerneffekt bringen einen Zusatznutzen für die Teilnehmenden. Für die Kundenbindung bleibt jedoch auch die Qualität der Lerninhalte ein entscheidender Faktor, wie das auch bei gemischten oder Präsenz-Angeboten der Fall ist.

Wichtigste Faktoren der Kostenkalkulation

Infrastruktur, Software und Lizenzen verursachen neue Kosten. Auch die Konzeption der Angebote und die Qualifikation der Ausbildenden erfordern Investitionen. Hybride Lernformen, also die synchrone Kombination von Anwesenden im Kursraum und digital Teilnehmenden, wurden als besonders aufwändig eingeschätzt.

Viele Anbieter stehen unter einem wachsenden Druck: Letztlich definiert der Markt den Preis. In einigen Bereichen ist eine zunehmende internationale Konkurrenz spürbar. Umgekehrt ist eine Skalierung der Kosten möglich, wenn Anbieter selber auch auf dem internationalen Markt tätig werden. Eine mögliche Strategie könnte die Entwicklung und Vermarktung von E-Learning-Basiseinheiten sein. Aber auch klar definierte Nischenprodukte bieten gute Chancen.

Kosten und Honorare der Kursleitenden

Bei der nötigen Weiterbildung der Kursleitenden wurde eine geteilte Verantwortung der Ausbildenden und Anbieter festgestellt. Für selbstständige Ausbildende entstehen bei Online-Angeboten Kosten für alle Phasen der Lerndienstleistung: von der Organisation und dem Management des Angebotes über das Design, die didaktisch-methodische Gestaltung bis zur Durchführung und Moderation von synchronen Lernveranstaltungen und der technischen Unterstützung der Teilnehmenden. Die individuelle Begleitung von Lernenden kommt hinzu, kann aber oft nicht verrechnet werden.

Sind Löhne ein Tabu-Thema?

Die internationale Konkurrenz stellt teilweise eine Bedrohung für die Bezahlung von angemessenen Honoraren dar, z. B. in der Romandie durch französische Anbieter und Kursleitende mit niedrigen Honoraransätzen. Die in der Schweiz üblichen Ansätze müssten unbedingt gehalten oder zum Teil erhöht werden, um die erweiterten Anforderungen zu entschädigen. Anderseits wurde auch postuliert, dass sich Ausbildende in der Schweiz der Konkurrenz stellen und die gute Qualität ihrer Leistungen aufzeigen müssten.

Fazit und Ausblick

Aus dem Workshop ergeben sich einige zentrale Erkenntnisse und Folgerungen für die weitere Auseinandersetzung mit der Qualität von Online-Angeboten.

Online-Angebote als neue Normalität

Im Sommer 2021 stehen nicht mehr die unmittelbaren Auswirkungen der Corona-Pandemie in Bezug auf die Anpassung von Präsenzangeboten im Vordergrund, sondern es geht um den Blick auf längerfristige Trends und Veränderungen in der Weiterbildungslandschaft. Online-Lernangebote sind die neue Normalität – neben den gemischten und reinen Präsenzveranstaltungen. Damit verschieben sich auch Referenzpunkte und Normen für gutes Lernen in digital gestützten Formaten. Aus Sicht der Anwesenden sind die Merkmale erwachsenengerecht, flexibel und selbstbestimmt besonders wichtig für diese Lernformen. In jedem Fall müssen digitale Lernformate als eigenständige Angebote entwickelt und umgesetzt werden. Und die Begleitung der selbstständigen Lernprozesse stellt sich als zentrales Qualitätsmerkmal heraus.

Realistische Geschäftsmodelle

Anbieter müssen angepasste, realistische Geschäftsmodelle für die Online-Angebote definieren, um die nötigen Investitionen zu amortisieren. Für die Positionierung ist es zentral, einerseits die oben geschilderten Vorteile des Online-Lernprozesses aufzuzeigen und anderseits eigene Qualitätsanforderungen zu definieren und gegenüber dem Markt klar zu kommunizieren. Hier können Weiterbildungsanbieter eigene Akzente setzen und Lernformen entwickeln, die für die Teilnehmenden Sinn ergeben und einen besonders hohen Nutzen ermöglichen.

Faire Anstellungsbedingungen

Der SVEB setzt sich für faire Anstellungsbedingungen und branchenübliche Löhne und Honorare ein. Allgemein gültige Ansätze sind allerdings im sehr heterogenen Markt nicht möglich. Ein zentrales Anliegen verfolgt der SVEB in Bezug auf die Submissionsverfahren. Die öffentlichen Ausschreibungen sollen nicht zu einer Benachteiligung der Kursleitenden führen, ein Preiskampf ist zu vermeiden.

Wir freuen uns auf die weiteren Diskussionen und Ergebnisse.

Ueli Bürgi, SVEB, Leiter Qualität in der Weiterbildung

Weitere Informationen

Unterlagen zum Workshop vom 10.6.21: «Wie viel dürfen Online-Lernangebote kosten?»

Bild: SVEB