Die digitale Teilhabe von Menschen mit Behinderungen ist in der Schweizerischen beruflichen Aus- und Weiterbildung bislang kaum systematisch verankert. Zu diesem Schluss kommt die Studie «Digitale Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in der beruflichen Aus- und Weiterbildung» der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW.
Die Studie (Laufzeit: 2020-2024) widmete sich im Schnittbereich von beruflicher Bildung, Digitalisierung und Inklusion den Fragen, welche Dimensionen digitale Teilhabe von Menschen mit Behinderungen umfasst, was sie fördert oder behindert und wie Berufsbildungsorganisationen digitale Teilhabe umsetzen.
Bildungsorganisationen verfügen demnach häufig über kein umfassendes Konzept zur Förderung digitaler Barrierefreiheit und setzen auf reaktive Massnahmen, die durch die individuelle Bereitschaft einzelner Akteure getragen werden. Besonders in kleineren Organisationen bleibe die Teilhabe vom Engagement und Wissen einzelner Lehrkräfte abhängig, was zu einer «deutlich heterogenen Ausgestaltung von Inklusionsmassnahmen» führe.
Widersprüchliches Bild
Die Diskrepanz zwischen der theoretischen Bedeutung der Inklusion und der mangelnden Umsetzung in der Praxis zeige, dass die Organisationen zwar die Wichtigkeit des Themas anerkennen, jedoch oft an den nötigen Ressourcen und der strategischen Planung scheitern. Die Einführung klarer Strukturen, die Bereitstellung ausreichender finanzieller und personeller Ressourcen sowie die gezielte Sensibilisierung für Barrierefreiheit auf allen Ebenen könnten gemäss Bericht helfen, diese Lücke zu schliessen.
«Zusammengefasst lässt sich sagen, dass Bildungsorganisationen nur durch einen stärkeren Fokus auf Inklusion und Barrierefreiheit ihre Lernumgebungen so gestalten können, dass alle Lernenden gleichermassen Zugang zu Bildung haben», schliesst der Bericht. Die Vernetzung und der Wissenstransfer zwischen verschiedenen Bildungsorganisationen könnten dabei als wertvolle Massnahmen fungieren. Der nachhaltige Erfolg digitaler Teilhabe werde davon abhängen, inwieweit dieses Thema auf politischer und administrativer Ebene aufgegriffen und in den strategischen und operativen Strukturen der Bildungsorganisationen verankert wird.
Inklusionskultur variiert stark
Um die Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung für Menschen mit Behinderungen zu erfassen und zu untersuchen, was die digitale Inklusion fördert oder behindert, wurden Daten in einem multiperspektivischen Ansatz gesammelt und ausgewertet. Das Resultat: Die Inklusionskultur in Bildungsorganisationen variiert stark. Während einige Institutionen Inklusion als strategisches Ziel verankern, wird sie in anderen als individuelle Aufgabe Einzelner betrachtet. Häufig fehlen institutionelle Strategien, die digitale Barrierefreiheit und Teilhabe systematisch fördern.
Die digitale Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in der beruflichen Aus- und Weiterbildung werde durch ein Zusammenspiel aus rechtlichen, organisatorischen, technischen und individuellen Faktoren geprägt. Förderliche Faktoren umfassen klare gesetzliche Vorgaben, barrierefreie Technologien, soziale Unterstützung und gezielte Kompetenzförderung. Hindernisse ergeben sich aus fehlenden finanziellen Ressourcen, Wissenslücken von diversen Akteuren in und rund um den Bildungsbereich, mangelnder Standardisierung, Zusatzaufwänden und der Angst vor Stigmatisierung.
Um die digitale Teilhabe nachhaltig zu verbessern, müssen Bildungsorganisationen eine ganzheitliche Strategie verfolgen, so die Autorenschaft. Diese sollte die Förderung inklusiver Werte, den Ausbau technischer Ressourcen sowie die gezielte Sensibilisierung und Schulung von Lehrkräften umfassen. Langfristig können dadurch Barrieren abgebaut und gleiche Zugangschancen für alle Lernenden geschaffen werden.