«Wir können uns das Sparen bei der Weiterbildung nicht leisten»


Der Bundesrat will die Bundesmittel für die Förderung von Grundkompetenzen Erwachsener sowie für die Leistungen der Organisationen im Bereich der Weiterbildung streichen. In einem Gastbeitrag für die NZZ erklärt SVEB-Präsidentin Tiana Moser, warum dies widersinnig ist.

Text: Tiana Moser (in der NZZ)

In der Schweiz haben 1,6 Millionen Menschen Mühe mit Grundkompetenzen wie Lesen, Schreiben oder Computer-Basics. Das zeigt die PIAAC-Studie der OECD vom Dezember 2024. Das ist besorgniserregend – ganz besonders in einer Zeit des Wandels, in der es wichtiger ist denn je, à jour zu bleiben und mit den raschen Veränderungen Schritt zu halten. Dabei kommt der Weiterbildung als Möglichkeit, Kompetenzen aufzubauen, sich auf den neuesten Stand zu bringen und sich persönlich weiterzuentwickeln, eine zentrale Rolle zu.

Nun sieht jedoch der Bundesrat im «Entlastungspaket 27» massive Kürzungen bei der Weiterbildung vor. So will er die Bundesmittel für die Förderung von Grundkompetenzen Erwachsener sowie für die Leistungen der Organisationen im Bereich der Weiterbildung streichen.

Realität wird ausgeblendet

Wie schädlich es ist, bei der Weiterbildung zu sparen, stellte der Bundesrat kürzlich selbst noch fest: In der Botschaft zur Förderung von Bildung, Forschung und Innovation bezeichnete er die Weiterbildung als strategische Priorität zur Bewältigung etwa des Fachkräftemangels und der digitalen Transformation. Er schlug dem Parlament sogar vor, die Mittel zur Förderung in diesem Bereich zu erhöhen, weil Sparmassnahmen die Kosten im Bereich der Arbeitslosenkasse und der Sozialhilfe steigen lassen würden. Das Parlament ist dem Vorschlag gefolgt. Keinen Monat später kam die Kehrtwende – ohne klare Begründung oder Analyse der Auswirkungen.

Wer nun argumentiert, dass in der Schweiz der Weiterbildungsmarkt gut funktioniere, blendet einen Teil der Realität aus. Der Markt erreicht vor allem die Gutqualifizierten. Diese bilden sich fünfmal so häufig weiter wie Geringqualifizierte – nirgendwo sonst in Europa ist diese Differenz so gross. Das heisst: Bei uns in der Schweiz haben sehr viele Erwachsene Weiterbildung dringend nötig. Gemessen am steigenden Bedarf ist die Zahl derjenigen, die sich weiterbilden, viel zu gering.

Während es für Personen mit Migrationshintergrund Weiterbildungsprogramme im Rahmen der Integrationsmassnahmen gibt, decken die auf dem Weiterbildungsgesetz basierenden Massnahmen den Bedarf für niedrigqualifizierte Schweizerinnen und Schweizer ab. Genau diese Massnahmen sollen nun gestrichen werden.

Die Kantone haben seit 2017 mit Unterstützung des Bundes und in Zusammenarbeit mit den Dachverbänden der Weiterbildung erfolgreich Angebote und Strukturen geschaffen, die es Erwachsenen ermöglichen, ihre Grundkompetenzen zu verbessern. Weiterbildungsgutschein-Projekte in mehreren Kantonen zeigen eindrücklich, wie hoch der Bedarf nach Bildungsangeboten im Bereich Grundkompetenzen ist.

Dramatischer Abbau zu befürchten

Fällt die Finanzierung durch den Bund weg, dürften die meisten Kantone ihr Engagement jedoch einstellen – was zu einem direkten Abbau von Weiterbildungsangeboten führen würde. Das wäre dramatisch. Zum einen aus betriebs- und volkswirtschaftlicher Perspektive: Es gibt heute praktisch keine Jobs mehr, in denen Grundkompetenzen nicht nötig sind. Die Anforderungen steigen, und die künstliche Intelligenz sorgt dafür, dass Grundkompetenzen noch wichtiger werden.

Zum anderen kommen die Kurse Menschen zugute, die sich Weiterbildung nur schwer leisten können; sie werden nicht über die Integrationsförderung oder die Arbeitslosenversicherung unterstützt. Viele Erwachsene mit ungenügenden Grundkompetenzen werden kaum mehr Möglichkeiten haben, ihre Defizite anzugehen.

Die Kosten dieses geplanten Sparschnittes werden sehr hoch sein – volkswirtschaftlich wie sozial. Es wäre ein Schnitt ins eigene Fleisch: Die geplanten Sparmassnahmen demontieren eine dringend nötige und erfolgreiche Weiterbildungspolitik, sie bringen viele Mitbürgerinnen und Mitbürger um eine bessere berufliche und persönliche Zukunft – und schaden somit der Schweiz auch wirtschaftlich. Wir können uns ein solches Sparen bei der Weiterbildung nicht leisten.

Tiana Moser ist Präsidentin des Schweizerischen Verbands für Weiterbildung (SVEB) und Zürcher Ständerätin.

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