Welche Kompetenzen brauchen Verantwortungsträgerinnen und -träger, um «nachhaltige» Entscheidungen zu treffen? Und welche Rolle spielt dabei die Weiterbildung? Sarah Eberz, Keynote-Speakerin der Tagung zu Nachhaltigkeit in der Weiterbildung, hat dies in einer Studie untersucht – und spricht im Interview über Probleme und Lösungsansätze.
Interview: Marianne Müller
Sie haben mit Entscheidungsträgerinnen und -trägern aus Politik und Wirtschaft über Nachhaltigkeit gesprochen. Was ist Ihr Fazit?
Eine zentrale Fragestellung unserer Interview-Studie mit 14 leitenden Personen war es, herauszufinden, welche Kompetenzen verantwortliche Personen brauchen, um nachhaltigkeitsrelevante Entscheidungen zu treffen – und damit Rückschlüsse auf schulische Bildung und Weiterbildung zu erlangen. Aus den Ergebnissen lässt sich für die (Aus-) Bildung zukünftiger Verantwortlicher schliessen, dass das Verknüpfen aller Kompetenzbereiche besonders wichtig ist und der Fokus auf interdisziplinäres und fachübergreifendes Denken und Handeln gerade an den Schnittstellen unterschiedlicher Systeme gelegt werden sollte. Zudem deuten die Ergebnisse darauf hin, dass der Umgang mit Unsicherheit, ein eigenes Wertegerüst und der Aufbau von Resilienz für Entscheidungsträgerinnen und -träger von grosser Bedeutung sind.
Was ist Ihre Einschätzung: Sind diese am Thema Nachhaltigkeit ehrlich interessiert?
Die Befragten aus Politik, Gesellschaft und Wirtschaft zeigten ein starkes Interesse am Thema Nachhaltigkeit. Wir haben gezielt Personen ausgewählt, die in nachhaltigkeitsrelevanten Bereichen tätig sind, wie beispielsweise im Umweltministerium, in der Führung von Energieunternehmen, die sich der Energiewende verschrieben haben, sowie in leitenden Positionen der ökologischen Landwirtschaft. Diese Auswahl verdeutlicht das generelle Interesse an Nachhaltigkeitsthemen unter den Befragten. Zukünftige Studien könnten jedoch auch Entscheidungsträgerinnen und -träger einbeziehen, die sich nicht primär mit Nachhaltigkeit befassen.
Wo sehen Sie die grössten Probleme?
Die Herausforderungen in der Nachhaltigkeit sind vielfältig und komplex. Ein Problem stellt die zeitliche Dimension dar, in der eine nachhaltige Transformation realisierbar ist. Politische Strategien sind dafür essentiell, doch ihre globale Umsetzung benötigt Zeit, was zu Frustration führen kann. Ich bin fest davon überzeugt, dass es entscheidend ist, den globalen Nachhaltigkeitszielen mehr Nachdruck und Verbindlichkeit zu verleihen. Eine beschleunigte Umsetzung internationaler, verbindlicher Massnahmen ist ebenso notwendig wie die Verringerung globaler Ungleichheiten. Ausserdem sollte ein Gleichgewicht zwischen ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Aspekten hergestellt werden, sodass nicht länger (kurzfristige) wirtschaftliche Gewinne über langfristige ökologische Stabilität gestellt werden. Diese Punkte sind nur einige der zahlreichen Herausforderungen auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Welt.
Was wären leicht umsetzbare Ansatzpunkte?
Ein wichtiger Ansatz, den ich in den Vordergrund rücken möchte, ist die Förderung von Bildung für nachhaltige Entwicklung und Schulungen im Bereich Nachhaltigkeit. Ich denke es ist entscheidend, Anreize für nachhaltiges Handeln zu schaffen und Richtlinien und Vorschriften zu entwickeln, die solches Verhalten fördern. Besonders betonen möchte ich die Bedeutung politischer Entscheidungen und Massnahmen, die eine grosse Tragweite haben und unerlässlich sind, um die Klimakrise zu bewältigen. Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass persönliches Handeln relevant ist, aber öffentliche Massnahmen den bedeutenden Unterschied machen. Das können neben politischen Rahmenbedingungen und gesetzlichen Massnahmen (z.B. Verbote, Subventionen) auch die Teilnahme an Klimastreiks sein, das Wahlverhalten, die Unterstützung von Umweltgesetzen oder das Anbieten nachhaltiger Optionen in Kantinen.
Wie viel Wissen und Kompetenzen bringen die befragten Entscheidungsträgerinnen und -träger im Bereich Nachhaltigkeit mit? Wo haben sie noch Nachholbedarf?
Die Wissens- und Kompetenzniveaus der befragten Personen variieren natürlich, doch insgesamt zeigte unsere Analyse, dass viele von ihnen über Schlüsselkompetenzen im Bereich der Nachhaltigkeit verfügen. Diese Kompetenzen sind in ihren täglichen Aufgaben unabdingbar, sie wenden diese oft auch unbewusst und ohne explizites Wissen darüber an. Viele Befragte gaben an, sich kontinuierlich in naturwissenschaftlichen Aspekten der Nachhaltigkeit fortzubilden, sei es durch eigene Recherchen oder das Einholen externer wie interner Expertisen, was für die Entwicklung politischer Strategien unerlässlich sei.
Auf der Grundlage Ihrer Forschung: Wie steht es aktuell um die Welt?
Das ist eine sehr komplexe Frage, die ich so auf Grundlage meiner Forschung nicht beantworten kann. Der aktuelle Zustand der Welt variiert ausserdem von Region zu Region. Es gibt zahlreiche globale Herausforderungen, die sowohl auf internationaler als auch individueller Ebene angegangen werden müssen. Dies umfasst mehr als nur die Klimakrise und den Weg hin zu einer nachhaltigen Entwicklung. Mein persönlicher Wunsch ist es, dass die ökologische Dimension auch in Krisenzeiten nicht vernachlässigt, sondern in alle Entscheidungen integriert wird.
Sarah Eberz ist Assistentin und Doktorandin am Institut für Erziehungswissenschaften im Bereich Fachdidaktik Naturwissenschaften an der Universität Zürich. An der Tagung «Weiterbildung in Forschung und Praxis» der PH Zürich und des SVEB wird sie eine Keynote halten.
Die Veranstaltung «Nachhaltigkeit in der Weiterbildung – Impulse für Organisations- und Angebotsentwicklung» der PH Zürich und des SVEB findet am 25. Januar 2024 in Zürich statt.