Der SVEB und die fide-Geschäftsstelle haben im Sommer 2020 im Auftrag des Staatssekretariats für Migration SEM gemeinsam eine Webinarreihe organisiert, um Kursleitende im Integrationsbereich bei der Digitalisierung ihrer Angebote zu unterstützen. Auf Grund der grossen Nachfrage wurde die Webinarreihe in den letzten Monaten ein zweites Mal durchgeführt. Die Ko-Projektleiterin Cäcilia Märki, Leiterin Grundkompetenzen im SVEB, zieht eine positive Bilanz.
Frau Märki, Sie haben mit der fide-Geschäftsstelle im Auftrag des SEM zwei Webinarreihen organisiert. Wie kam es zu diesem Auftrag?
Cäcilia Märki: Das Team Integration im SEM hat nach dem abrupten Verbot von Präsenzkursen im März 2020 dringenden Handlungsbedarf gesehen und sich an den SVEB gewandt. Innerhalb kürzester Zeit haben wir uns darauf geeinigt, dass das mobile Lernen im Zentrum stehen soll. Die Zusammenarbeit mit dem SEM verlief sehr gut und auf Augenhöhe. Innerhalb von 2–3 Wochen war der Auftrag geklärt, die Partnerschaften in den Regionen aufgebaut und der Kick-off abgehalten. Der Wille, rasch etwas Nützliches auf die Beine zu stellen, hat alle stark motiviert. Für mich war das Projekt auch aus dieser Sicht ein guter Erfolg. Wesentlich war zudem die Zusammenarbeit mit der fide-Geschäftsstelle. Von Anfang an war es unser Ziel, das mobile Lernen an den fide-Prinzipien und -Szenarien auszurichten.
Mit den Webinaren setzten Sie auf mobiles Lernen via Smartphone. Warum?
Gespräche mit Anbietern darüber, wie sie mit der Situation nach dem «Shutdown» im März 2020 umgegangen sind, haben sehr schnell gezeigt, dass der kleinste gemeinsame Nenner für das In-Kontakt-Bleiben und Lernen unter erschwerten Bedingungen das Mobiltelefon war. Es ist das Endgerät, über das die Mehrzahl der an Sprachkursen Teilnehmenden im Bereich Grundkompetenzen individuell am ehesten Zugriff hat. Die verfügbaren Computer in den Familien waren ja schon für das Home-Schooling besetzt. Ein Mobiltelefon für das Lernen zu verwenden, birgt aber einige Herausforderungen. Damit haben wir Neuland betreten und das war ein zusätzlicher Ansporn für das Projekt.
Lässt sich mit dem Smartphone ein gleichwertiger Unterricht realisieren wie mit Präsenzveranstaltungen?
Nein, gleichwertiger Unterricht sicher nicht. Gut und didaktisch sinnvoll eingesetzt, kann das Smartphone aber eine gute Ergänzung zum Präsenzunterricht sein. In der Corona-Situation war das Smartphone der Zugang der Wahl, um möglichst allen Teilnehmenden weiterhin den Zugang zum Lernen zu ermöglichen und die Kursleitenden dabei zu unterstützen, ein sinnvolles didaktisches Angebot mit geeigneten Lerntechnologien und -umgebungen zu ermöglichen. Ein weiteres Ziel war von Anfang an, dass mobiles und digitales Lernen künftig ein integraler Bestandteil der Kursangebote sein soll. Das hätte einerseits den Vorteil, vorbereitet zu sein, falls Präsenzunterricht, aus welchen Gründen auch immer, nicht möglich ist. Andererseits ermöglicht es, den Digitalisierungsschub, den die Corona-Krise ausgelöst hat, zu nutzen, von den Vorteilen des digitalen Lernens systematisch zu profitieren und die Teilnehmenden gleichzeitig digital fit zu machen.
Wie sind die Webinare verlaufen? Was hat sich bewährt, was nicht?
Wir sind davon ausgegangen, dass es so etwas wie «Superuser» bei den Anbietenden gab, die dann ihre Kolleginnen und Kollegen in den Institutionen unterstützen können. Das war so aber nicht der Fall. Viele Kursleitende und Angebotsentwickler waren in den Webinaren sehr gefordert. Auch für die Dozierenden war es herausfordernd, in drei mal zwei Stunden die Grundlagen des mobilen Lernens möglichst praxisorientiert zu vermitteln. Die Evaluation hat ergeben, dass sich die Teilnehmenden viel mehr Gelegenheiten zum praktischen Umsetzen gewünscht hätten. Bei der zweiten Durchführung der Webinarreihe im Herbst 2020 haben wir daher die Lerntechnologien noch stärker auf mobiles Lernen fokussiert und zusätzlich Transferaufgaben und Austauschtreffen angeboten. Beides sollte die praktische Anwendung und den Transfer in den Kursalltag unterstützen. Das Feedback der Teilnehmenden zeigt, dass das geschätzt wurde.
Ist eine Fortsetzung der Webinarreihe geplant?
Nein, weitere Umsetzungen sind derzeit nicht geplant. Das gesammelte Material (Webinare, Präsentationen, Toolbox, Transferaufgaben usw.) sind sowohl beim SVEB als auch auf fide-info öffentlich zugänglich. Die bestehenden Arbeiten können eine Grundlage für die Weiterentwicklung sein. Ich sehe einen grossen Bedarf nach einer Weiterbildung für digitale Kursleitungskompetenzen im Bereich Grundkompetenzen. Dabei wäre es sehr wichtig, alle Grundkompetenzen abzudecken. Bei der Sprachförderung wurde mit der Webinarreihe zum mobilen Lernen im Sprachbereich ein Anfang gemacht. Lerntechnologien und -settings, die das Lesen und Schreiben, Alltagsmathematik und die Anwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien systematisch unterstützen, sind meines Wissens noch nicht systematisch erarbeitet worden.
Was haben Sie für Ihre Arbeit als Leiterin Grundkompetenzen im SVEB aus den Webinaren mitgenommen?
Die Webinare haben gezeigt, dass der Bedarf an Weiterbildungen für digitales Lernen bei den Kursleitenden sehr gross ist. Die Anforderungen an die Kursverantwortlichen im Bereich Grundkompetenzen sind besonders hoch. Und in den Webinaren habe ich miterlebt, mit welch grossem Engagement versucht wird, ein sinnvolles Kursangebot unter schwierigen Bedingungen aufrechtzuerhalten. Mir ist ausserdem klar geworden, wie viel technischen Support Kursleitende leisten können müssen, damit die Verwendung eines Tools oder einer App mit der Lerngruppe überhaupt möglich ist. Für meine Arbeit habe ich vor allem mitgenommen, dass die Webinarreihe nur ein Anfang sein kann.
Was bleibt nach Ihrer Einschätzung von den digitalen Integrationskursen nach der Pandemie übrig?
Ich bin mir sicher, dass der Digitalisierungsschub in den Institutionen und bei den Kursleitenden nachhaltig sein wird. Vorher war Digitalisierung nur ein Schlagwort. Jetzt wissen wir alle, was es bedeutet, digital zu lernen und zu arbeiten. Wir erkennen nun auch die Potenziale der Lerntechnologien und sehen, wo die Kompetenzen zur Entwicklung und Umsetzung von digitalem Lernen für unterschiedliche Zielgruppen fehlen. Die nötigen Fähigkeiten, um die vorhandenen Lücken zu schliessen, gilt es jetzt systematisch aufzubauen. Eine fundierte Weiterbildung für Kursleitende im Bereich Grundkompetenzen gehört definitiv dazu!
Interview: Irena Sgier