«Micro-Credentials können Qualität, Transparenz und Flexibilität des Lernens verbessern»


Das Thema Micro-Credentials gewinnt im nationalen und internationalen Bildungsdiskurs zunehmend an Bedeutung. Das BadgeTour Projekt nutzt Micro-Credentials zur Sensibilisierung von Ausbildenden in der Tourismusbranche: Es soll bei der Anerkennung von Kompetenzen und der Zertifizierung des Lernprozesses helfen. Projektleiterin Nadia Catenazzi gibt Auskunft.

Interview: Helen Buchs

Nadia Catenazzi ist Forscherin am Institut für Informationssysteme und -netzwerke an der Scuola universitaria professionale della Svizzera italiana SUPSI und leitete in der Schweiz das Projekt «Badgetour– VET Micro-credentialing in the Tourism Sector». Das zweijährige Projekt wurde durch die EU-Kommission und Movetia finanziert und startete im Dezember 2021. Nun liegen erste Resultate des Projekts vor. 

Nadia Catenazzi, was verstehen Sie unter Micro-Credentials? 
Micro-Credentials sind eine Form der Zertifizierung von Mikro-Lerneinheiten. Sie werden verwendet, um die Lernergebnisse kleiner Lerneinheiten zu belegen, wie z. B. einen kurzen Kurs oder eine Ausbildung, die zum Erwerb spezifischer Kompetenzen führt, welche einem sich schnell verändernden Arbeitsmarkt angepasst sind. Durch die Verwendung von Micro-Credentials werden die Lernergebnisse dieser kurzen Erfahrungen von Arbeitgebern, Lernenden und Bildungseinrichtungen leicht erkannt und verstanden. Micro-Credentials werden hauptsächlich für kurze nicht-formale und informelle Lernerfahrungen verwendet und ergänzen die traditionellen Qualifikationen. Ein gängiger Ansatz zur Umsetzung von Micro-Credentials sind digitale Abzeichen, d. h. digitale Darstellungen, die den Erwerb von Fähigkeiten anerkennen.  

Worin sehen Sie das Potenzial und die Herausforderungen von Micro-Credentials? 
Micro-Credentials sind ein Mittel, um die Qualität, Transparenz und Flexibilität des Lernens zu verbessern. Ihre Einführung könnte dazu beitragen, die Ausbildungssysteme zu erneuern und eine vertrauenswürdige Anerkennung von Fähigkeiten und Qualifikationen zu erreichen. Dazu ist es jedoch notwendig, das Bewusstsein und die Fähigkeiten von Ausbildenden bei der Umsetzung von Micro-Credentials zu verbessern. Um diesem Bedarf gerecht zu werden, hat das SUPSI zusammen mit einigen europäischen Partnern das Projekt «Badgetour durchgeführt.  

Wie ging Ihr Projekt dabei vor? 
Das Projekt zielt darauf ab, die Fähigkeiten von Ausbildern bei der Anerkennung von Kompetenzen und der Zertifizierung des Lernprozesses zu verbessern. Wir wollten einen gemeinsamen Ansatz für Micro-Credentials entwickeln, der Qualität, grenzüberschreitende Vergleichbarkeit, Anerkennung und Übertragbarkeit garantiert. Der Ausgangspunkt für die Implementierung der Micro-Credentials war die standardisierte Beschreibung der Lernergebnisse in Form von Kenntnissen, Fertigkeiten und Kompetenzen gemäss dem Europäischen Qualifikationsrahmen (EQR). Die folgenden Schritte umfassten die Entwicklung von Ausbildungsinhalten, die Gestaltung und Umsetzung von digitalen Badges und die Definition der Kriterien zur Validierung von Kompetenzen und Ausstellung von Badges. 

Wie kann Ihr Projekt zur weiteren Entwicklung von Micro-Credentials beitragen?  
BadgeTour hat eine Reihe von Ergebnissen zum Thema Mikro-Anrechnungspunkte hervorgebracht, die offen zugänglich sind. Darunter: Leitlinien für die Erstellung von Micro-Credentials im Tourismussektor; einen Kurs über Micro-Credentials, der auf der Grundlage einer Kompetenzkarte entwickelt und als Sammlung interaktiver Lerneinheiten organisiert wurde; und ein methodisches Handbuch für Ausbildende in der beruflichen Ausbildung im Tourismussektor, um das notwendige Know-how für die Umsetzung innerhalb der Ausbildungsorganisationen zu vermitteln. Diese Ergebnisse sind über die Projektwebsite zugänglich.  

Wer kann das im Rahmen des Projekts erstellte Material nutzen und wie? 
Die Zielnutzer des Projekts sind hauptsächlich Ausbildende und Berufsbildungsanbieter im Tourismussektor. Die Projektergebnisse können jedoch auch Ausbildenden in anderen Bereichen helfen, zu lernen, wie digitale Badges zur Anerkennung von Kompetenzen erstellt und ausgestellt werden können. Alle Interessierten können das im Rahmen des Projekts erstellte Material kann kostenlos nutzen. Insbesondere der BadgeTour Leitfaden für Micro-Credentials und das Methodenhandbuch bieten Empfehlungen und Know-how für die Einführung von Micro-Credentials und die Umsetzung von digitalen Badging-Ökosystemen. Das BadgeTour Toolkit ist ein Kurs, der in 5 Modulen organisiert ist und aus interaktiven OERs für Ausbildende im Bereich der beruflichen Bildung im Tourismus besteht. Ausbildende im Tourismussektor müssen eine Reihe von Aktivitäten, Quizfragen und Abschlusstests absolvieren, die ihnen helfen, Schlüsselkompetenzen für die Integration von Micro-Credentials in ihr Lernangebot zu entwickeln. Nach Abschluss jeder Lerneinheit wird ein digitales Abzeichen ausgestellt. Die Abzeichen für die Lerneinheiten können kombiniert werden, um ein Modulabzeichen zu erhalten. 

Der SVEB diskutiert in einem Grundlagenbericht das Potential von Micro-Credentials für Bildungssysteme und Arbeitsmärkte und beschreibt erste Bestrebungen zur Anwendung von Micro-Credentials. 

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