Lutz Jäncke: «Wiederholen ist die Mutter des Lernens»


Repetition ist Pflicht, Motivation zentral und das Hirn selektiv. In einem Interview spricht der emeritierte Professor für Neuropsychologie Lutz Jäncke über das Lernen und wie es am besten gelingt.

Wie lernt man in Zeiten der Reizüberflutung am besten? Diese und andere Fragen beantwortete Lutz Jäncke in einem Interview mit FAU. Jäncke war Professor für Neuropsychologie an der Universität Zürich und widmete sich in seiner Forschung speziell der Plastizität des menschlichen Gehirns.

Auf die Frage, welche Standards es im Lernen gibt, antwortet er:

«Wiederholen ist die Mutter des Lernens. (…) Das ist der eine Punkt. Der zweite Punkt ist, dass wir das besonders gut abspeichern, was wir beim Lernen an bereits bestehendes Wissen anbinden. Man könnte das auch als Verstehen bezeichnen. Das heisst, wir lernen nicht am besten immer auswendig. (…) Der dritte Punkt ist, wenn wir lernen, müssen wir dem Lernmaterial ein gewisses Mass an Aufmerksamkeit zuwenden. Dieses «By-the-way»-Lernen, das funktioniert nur in bestimmten Bereichen und hat nur eine sehr beschränkte Kraft. Wenn wir wirklich etwas Neues erwerben wollen, müssen wir uns dem eben auch zuwenden. (…) Der vierte Punkt: Wir lernen das am besten, wofür wir einen individuellen Sinn entwickeln. Also wir lernen das, was wir individuell als sinnhaft empfinden. (…) Zu beobachten ist dies oft bei Kindern in der Schule, die den Sinn dessen, was sie da zu lernen haben, gar nicht erkennen, weil es meistens Unterrichtsinhalte sind, die von Eltern, von Lehrern, von Erwachsenen definiert und konzipiert worden sind.»

Auch vergessen ist wichtig

Weiter spricht Jäncke über die heutige Überinformation und was sie mit uns macht:

«Vergessen ist möglicherweise sogar wichtiger als behalten. (…) Unser Gehirn darf nicht alles lernen, es muss einfach nur die wichtigen Inhalte lernen.

(…) Es ist eine Mär zu glauben, man würde sein Leben lang alles behalten, wenn man es einmal gelernt habe. Man behält es nur dann, wenn man es immer wieder benutzt. (…) Untersuchungen zeigen, dass sogar die Muttersprache aus dem Gehirn gelöscht werden kann.»

Love it, leave it or change it

Und auch um die Weiterbildung geht es ansatzweise. Jäncke antwortet auf die Frage, was er einem Erwachsenen über 50 raten würde, der sich gezwungen sieht, eine Weiterbildung zu machen, die ihn nicht interessiert:

«Das ist eine Frage der Motivation. Da gibt es eigentlich nur eine Strategie: Love it, leave it or change it. Das heisst, es gibt nur die Möglichkeit, zu schauen, ob ich in dem neuen Berufsfeld, das ich mir lerntechnisch erobern muss, «love it» oder «change it» nutzen kann. Ich muss ein Commitment haben, ich muss eine Verantwortung für den Job entwickeln – und das muss man genau überprüfen. (…)

Wenn Sie also ein Commitment haben und die Verantwortung übernehmen, in dem Beruf erfolgreich zu sein, weil Sie es müssen, müssen Sie sich Ziele setzen. Und wenn Sie sich Ziele setzen, müssen Sie überprüfen, ob Sie die Ziele erreichen. Was passiert dann? Dopamin – Reward –, also Belohnung, Lust. Plus Stolz. (…) Schlussendlich geht es beim Lernen auch um den Stolz: die Freude und die Belohnung, etwas erreicht zu haben.»

Weitere Informationen