Gemäss einer Umfrage unter Personalverantwortlichen und Führungskräften spielen Weiterbildungen in der Rekrutierungspraxis keine grosse Rolle. Die Befunde fussen jedoch eher auf Interpretationen als auf Daten. Der SVEB legt Wert auf eine Differenzierung.
««Papierlisammler» haben bei der Jobsuche kaum bessere Chancen», schrieb das SRF und titelte «Sind Weiterbildungen für die Katz?» In der NZZ heisst es: «Eine Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit findet sich auch im Bereich Weiterbildung.»
In den Artikeln geht es um eine Umfrage zur Rekrutierungspraxis in der Schweiz, welche das Outplacement-Unternehmen von Rundstedt durchgeführt hat. 936 Personalverantwortlichen und Führungskräften wurden dabei befragt.
Ein Befund: Weiterbildungen seien «relativ unbedeutend», weil für die Recruiter Alter, Berufserfahrung und Sprachkenntnisse wichtiger seien. Der SVEB ist mit dieser Deutung nicht einverstanden.
Hinter Altersvorgaben, Sprachkenntnissen und Branchenjahren
In der Medienmitteilung zur Studie heisst es: «Weiterbildung gilt als zentrales Element, um in der heutigen Veränderungsdynamik arbeitsmarktfähig zu bleiben. Spezifische Weiterbildungen sind bei den zwingenden Anforderungskriterien aber viel weniger stark vertreten als Altersvorgaben, Sprachkenntnisse oder Branchenjahre. Auch die Qualität und Reputation der Bildungsinstitutionen interessiert nicht gross. Es ist also weitgehend egal, wo jemand einen Bachelor oder ein CAS absolviert hat. Das weist alles darauf hin, dass der Substanz der Weiterbildungsaktivitäten eines Bewerbers keine grosse Wichtigkeit beigemessen wird.»
In der Studie selbst steht: «Spannend ist bei dieser Grafik auch zu sehen, wie relativ unbedeutend die viel gepriesenen gezielten Weiterbildungen sind. Weiterbildung bringt einen Bewerbenden also nicht weiter, sofern sie nicht bereits mit konkreten Erfahrungen verbunden ist.»
«Unzureichend und irreführend»
Der SVEB sieht Klärungsbedarf und fordert zu einer differenzierten Betrachtung auf. In einer Stellungnahme schreibt SVEB-Mitarbeiterin Helen Buchs, dass die Folgerung, Weiterbildungen seien unbedeutend, weil «nur» ein Drittel der Befragten spezifische Weiterbildungen als zwingende Voraussetzung in der Rekrutierung angab, unzureichend und irreführend sei.
«Ein Drittel der Befragten, die spezifische Weiterbildungen als Voraussetzung nennen, ist im Schweizer Kontext keineswegs wenig», so Buchs. «Im Gegenteil: Vor dem Hintergrund des Schweizer Bildungssystems, das auf der Berufsbildung als national standardisiertem und anerkanntem Abschluss basiert, zeigt dies eine bemerkenswerte Relevanz der Weiterbildung.»
Weiterbildungen seien bewusst darauf ausgelegt, auf Ausbildungen und Arbeitserfahrungen aufzubauen und ergänzend zu wirken. Sie ersetzen keine grundständige Ausbildung, sondern vertiefen und erweitern bestehende Kompetenzen.
Keine wissenschaftliche Grundlage
Auch die Aussage, in der Schweiz erlebe man aktuell eine Inflation an Aus- und Weiterbildungen und dadurch sinke der Wert dieser Ausbildungszertifikate, sei problematisch, schreibt Helen Buchs, zumal sich dazu keine wissenschaftliche Grundlage in der Studie oder in der Literatur finden lasse.
Die zunehmende Anzahl von Bildungs- und Weiterbildungsabschlüssen könne vor dem Hintergrund der Bildungsexpansion und den verlangten Qualifikationen im Arbeitsmarkt als Anpassung an steigende Anforderungen gesehen werden – und nicht als Entwertung.
Und schliesslich könne das Ergebnis, das nur 7 Prozent der Unternehmen die Reputation der Ausbildungsstätte als sehr wichtig einstufen, auch als positives Signal gewertet werden. Es könne für ein hohes generelles Vertrauen in die Qualität des Schweizer Bildungssystems gedeutet werden.
Unterscheidung zwischen Resultaten und Interpretation
Die Firma von Rundstedt meldet zurück, dass sie in ihren Studien zwischen Resultaten und Erklärungsansätzen respektive Interpretationen unterscheide und sich erlaube, als unabhängige Firma eigene Meinungen abzuleiten.
Im Gespräch mit SRF stellt CEO Pascal Scheiwiller klar: «Für die persönliche Entwicklung bringt Weiterbildung sehr viel.» Für den Rekrutierungsentscheid sei sie jedoch nicht wesentlich, wie die Umfrage zeige. Recruiter werten konkrete berufliche Erfahrungen höher als Zertifikate. Unter anderem auch, weil der Wert von Weiterbildungen oft schwer nachzuvollziehen sei.