Mit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie hat der Weiterbildungsbereich einen enormen Digitalisierungsschub erfahren. Für die Anbieter ist dies eine grosse Herausforderung, die aber auch ihren Innovationsgeist anstachelt. Den Lernwilligen ihrerseits bringt diese Entwicklung eine grosse Flexibilität und neue Möglichkeiten.
Von Matthias Aebischer, Präsident SVEB und Nationalrat, zuerst erschienen als Editorial in «Fokus Next Step»| Januar 2022
Als 54-jähriger Politiker, der wohl in den nächsten paar Jahren seinen Schwerpunkt wieder vermehrt auf die Arbeit ausserhalb der Politik setzen wird, war es gar nicht so einfach, aus dem Hamsterrad herauszukommen und eine Weiterbildung in Angriff zu nehmen. Denn nebst meinem Nationalratsmandat und der Familienarbeit war es eine ziemliche Herausforderung, alles unter einen Hut zu bringen. Nun habe ich abgeschlossen und bin froh, dass ich den Kraftakt gewagt habe. Das CAS «Digital Marketing und Transformation» der Berner Fachhochschule war in mehreren Belangen ein Glücksfall für mich. Dank hochkarätigen Referentinnen und Referenten konnte ich mein Marketing- und Kommunikationswissen auffrischen und lernte im Bereich der digitalen Transformation sehr viel Neues dazu. Nicht nur der Kurs selbst drehte sich um die Digitalisierung, sondern auch die Art des Unterrichts. Mussten wir Covid-bedingt die erste Hälfte des Kurses noch via Video-Konferenz meistern, durften wir die zweite Hälfte vor Ort mit Maske bestreiten. Flexibilität war gefragt, von den Teilnehmenden, aber auch von den Dozierenden.
Weiterbildung im Umbruch
Seit Ausbruch der Covid-Pandemie hat der Weiterbildungsbereich einen enormen Digitalisierungsschub erfahren. Wie der aktuelle Branchenmonitor des SVEB zeigt, haben die meisten Weiterbildungsanbieter in kürzester Zeit Angebote umgebaut, digitalisiert und diversifiziert. Heute können viele Weiterbildungen online besucht werden, bei denen bis vor Kurzem Präsenz zwingend nötig schien. Zudem sind Formate entstanden, die vor der Pandemie kein Thema waren, darunter hybride Settings, in denen die Teilnehmenden frei entscheiden können, was sie in Präsenz und was sie online besuchen wollen. Für die Anbieter ist dies eine grosse Herausforderung, die aber auch ihren Innovationsgeist anstachelt. Den Lernwilligen ihrerseits bringt diese Entwicklung eine grosse Flexibilität und neue Möglichkeiten. So können sie von zu Hause aus Weiterbildungen besuchen, die irgendwo auf der Welt angeboten werden, – sofern sie über einen Computer und die entsprechenden Sprachkenntnisse verfügen.
Ungleiche Chancen
Nicht alle Erwachsenen haben dieselben Chancen, sich weiterzubilden. Nicht alle können wie ich 9000 Franken für einen CAS ausgeben. Nicht alle haben für den digitalen Unterricht die nötige Infrastruktur. Es gibt Anzeichen, dass die rasche Digitalisierung während der Covid-Pandemie die digitale Kluft in der Gesellschaft weiter vertieft. Für Personen, denen die Kompetenzen oder die Infrastruktur für die digitale Teilnahme fehlt, wird es schwieriger, sich weiterzubilden – auch in Präsenzkursen, denn vollkommen technologiefreie Kurse dürfte es künftig kaum mehr geben. Da sind auch die Weiterbildungsinstitutionen und die Bildungspolitik gefordert. Der SVEB engagiert sich für Chancengleichheit unter anderem mit der Förderung von Grundkompetenzen und dem Aufbau von Gutscheinsystemen.
Ungewisse Zeiten
Wenn wir Krisen wie die aktuelle meistern wollen – und es dürfte nicht die letzte globale Krise bleiben –, dann müssen wir in der Lage sein, besser und kreativer mit Ungewissheit umzugehen als bisher. Wenn wir Pläne immer wieder umstellen und über Nacht Lösungen für Probleme finden müssen, die es bisher noch gar nicht gab, steigen die Anforderungen und damit auch der Lernbedarf. Paradoxerweise bedeutet dies, dass Weiterbildung immer wichtiger wird und wir zugleich immer weniger wissen, welche Kompetenzen in Zukunft nötig sein werden. Studien und Zukunftsprognosen, so auch jene von TRANSIT, dem Think Tank des SVEB, legen nahe, dass die Bedeutung von transversalen Kompetenzen steigt. Dazu gehören etwa Kreativität, kritisches Denken oder Problemlösefähigkeiten. Aber auch fundiertes Wissen hat nicht ausgedient – und auch wenn das oft behauptet wird: Wissen veraltet nicht. Im Gegensatz zu blossen Informationen. Gerade in Zeiten grosser Veränderungen gewinnt Wissen im Sinn eines vertieften Verstehens von Zusammenhängen an Bedeutung.
Matthias Aebischer
Präsident SVEB und Nationalrat
Bild: Editorial Matthias Aebischer