Eine Dosis Dopamin, eine Extraportion KI, jede Menge Geschichten und viel Raum für Austausch und Gespräche: Das Westschweizer Forum romand im Zeichen der künstlichen Intelligenz war ein vielseitiger und motivierender Event.
Bericht: Claudia Benassi-Faltys
«Es war toll!» «Es hat mir super gefallen!» So lautete der Tenor am Ende des diesjährigen Forum romand. Der Tag war dicht getaktet sowie abwechslungsreich gestaltet, mit Präsentationen, Austauschmöglichkeiten und interaktiven Tools mit dem Ziel, Denkanstösse zum Lernen in der heutigen Zeit zu geben, die vom technologischen Fortschritt geprägt ist: Wie wirken sich pädagogische Innovationen auf Akteure und Akteurinnen der beruflichen Weiterbildung aus? Wie gross wird der Stellenwert des Menschen in Bildungsmassnahmen künftig sein?
Nach der Eröffnung des Forum romand des SVEB durch dessen Präsidenten Simon Franzen und die Leiterin der SVEB-Geschäftsstelle Westschweiz Caroline Meier begann der Vormittag mit den Präsentationen der drei Vortragenden.
Der Tag war interaktiv angelegt, um viel Raum für Austausch und Reflexion zu ermöglichen. Nach jeder Präsentation waren die Teilnehmenden aufgefordert, dem Redner oder der Rednerin über einen per QR-Code zugänglichen Link Fragen zu stellen sowie den relevantesten Fragen «Likes» zu geben.
Am Ende der Präsentationen wurden die Fragen mit den meisten Likes den Vortragenden gestellt. Auf jede Präsentation folgte ausserdem ein fünfminütiger Austausch in Kleingruppen, der zu einer Kernaussage führen sollte, die auf einem Post-it notiert wurde. Diese Aussagen waren später auf einer riesigen kollaborativen Wand zu sehen.
Einige Kernaussagen der Präsentationen
Marc Turiault stützte sich in seinem Vortrag «Gehirn online: Was die Motivation beim Fernunterricht hemmt oder triggert» auf die Erkenntnisse der Neurowissenschaften und nannte in diesem Zusammenhang einige Schlüsselelemente, die für das Lernen förderlich sind:
- Motivation
- Dopamin
- rasche Belohnung für Aktionen
Er zog Parallelen zu den Mechanismen, die beispielsweise in Videospielen eingesetzt werden und die Menschen dazu bringen, zu handeln und Kompetenzen zu entwickeln, auch wenn dies nicht das primäre Ziel ist: Bei Online-Spielen folgt auf einen Misserfolg unmittelbar Resilienz, man spielt sofort in der nächsten Sekunde wieder, weil die Signale sehr schnell aufeinander folgen. Videospiele lehren uns, ständig Lösungen zu finden. Als Beispiele nannte Turiault die ersten Spiele wie Pong oder Pac Man: Nach einem Misserfolg kommt unmittelbar die nächste Aktion, und das jedes Mal. Demnach ist es vorstellbar, schnell von einer Frage zur nächsten zu wechseln, «Ich weiss nicht, ich gehe zur nächsten, ich schaffe es, Dopaminschub, ich mache weiter».
Im Präsenzunterricht wird durch die Anwesenheit anderer Dopamine freigesetzt: Interaktionen fördern die Motivation. Aber wie können diese Mechanismen – Motivation, Dopamin – beim E-Learning angeregt werden? Häufig kommt auf E-Learning-Plattformen die Belohnung erst am Ende. Deshalb wirkt ein Misserfolg (auch ein kleiner) demotivierend und man neigt dazu, entweder nicht zurückzukehren oder nicht weiterzumachen. Eine Idee wäre also, die beiden Ereignisse immer näher zusammenzubringen: Ich schaffe es – Belohnung – Dopamin – ich mache weiter – ich bin motiviert.
Marc Turiault empfahl daher insbesondere bei Überlegungen zur Förderung des Lernens über Online-Plattformen, vom Spiel auszugehen, um zu einem Lernziel zu gelangen. Und Belohnungsmechanismen einzubauen, um die Motivation zu fördern, sowie Sequenzen in einem schnellen Tempo abzuwechseln.
Laura Tocmacov Venchiarutti war es wichtig, mit einigen Vorurteilen über künstliche Intelligenz aufzuräumen und uns die Notwendigkeit zu veranschaulichen, mit den Werkzeugen der KI spielerisch zu experimentieren. Sie ist der Meinung, dass auf diese Weise der Zugang zu erweiterter Intelligenz eröffnet wird: der menschlichen, kollektiven sowie «künstlichen» Intelligenz. Tocmacov regt dazu an, sich der Herausforderungen und Vorteile bewusst zu werden, die diese neuen Werkzeuge in der Erwachsenenbildung mit sich bringen. Und das schon heute, denn die Fähigkeiten eines Tools wie ChatGPT werden von Tag zu Tag exponentiell besser.
Auf ihre Nachfrage hin zeigte sich, dass die Hälfte der Anwesenden ChatGPT noch nie getestet hatte und die andere Hälfte mindestens einmal pro Woche eine generative KI verwendet.
Die Demonstration, wie ChatGPT in sieben Minuten einen Namen, ein Logo und ein Website-Design für die Eröffnung eines Restaurants erstellte, hinterliess sicherlich einen bleibenden Eindruck von der Leistungsfähigkeit der KI.
Im Zusammenhang mit der Weiterbildung ist für Tocmacov ein wichtiger Aspekt, dass sich die KI ständig an die Lernenden anpasst und immer individuellere Aktivitäten und Ratschläge anbietet. So kann sie zu einem echten Lernbegleiter werden.
KIs lernen, werden gefüttert und sind in der Lage, etwas zu erschaffen, nicht mehr nur zu replizieren. Sie können Konzepte der «Empathie» lernen, wie sie «intelligente» Lernbegleiter aufweisen würden. Für die Referentin lautet die Frage, die wir uns als Ausbildende stellen müssen, also: Worin liegt für uns der Mehrwert in Zusammenhang mit einer KI, die für den Lernprozess zunehmend besser geeignet ist?
Neue Berufe entstehen oder werden entstehen, wie etwa «Chatbot-Educator» oder «KI-Trainer». Diese müssen die DNA und die Werte des Unternehmens aufweisen: Daraus ergeben sich neue Ausbildungsbereiche, auch im Hinblick auf den Erwerb von Fähigkeiten im Zusammenwirken mit KI. Der Ausbilder, die Ausbilderin muss wissen, wie man die KI trainiert. (Siehe die Präsentationsfolie mit den neuen Berufen im Zusammenhang mit KI).
Laura Tocmacov weist auch darauf hin, dass es bereits virtuelle Online-Umgebungen gibt (Stichwort Metaverse), in denen man Lernräume einrichten kann, mit Spielen oder Quizfragen, die man relativ einfach erstellen kann: https://www.gather.town/. Es gibt auch eigene Plattformen für KI-unterstütztes Lernen.
Sie ist der Meinung, dass sich mit dem Einzug der KI in den Bildungsbereich und dem damit verbundenen Einsatz von individueller und kollektiver Intelligenz das Spektrum der Möglichkeiten erweitern wird.
Schliesslich nahm Michel Wozniak mit auf eine Reise zu anderen Arten des Lernens und demonstrierte dies anhand des Themas «Der Mensch – eine unglaublich komplexe, aber ressourcenreiche Maschine».
Er machte darauf aufmerksam, dass die Menschen in unserer Gesellschaft unter dem Informationsüberfluss und an Erschöpfung aufgrund von Zwängen und Belastungen leiden.
Die Herausforderungen für das Lernen im Zeitalter der Informationsüberlastung sind also:
- Was lernen?
- Wie lernen?
Zu den vielfältigen vorgeschlagenen Lösungen gehören insbesondere solche, die anhand von visuellen Darstellungen, Mindmaps und Geschichten funktionieren und sich die Fähigkeiten des Gehirns, zu sortieren und tatsächlich zu lernen, zunutze machen.
Unter Hinweis auf Alvin Toefflers Zitat, wonach die Analphabeten des 21. Jahrhunderts diejenigen seien, die nicht in der Lage sind zu lernen, betont Michel Wozniak, wie wichtig es ist, dafür zu sorgen, dass das eigene Gehirn anpassungsfähig und lernfähig Gehirn bleibt. Man soll die KI als Werkzeug nutzen, aber nicht um jeden Preis nach dem Einfachen trachten, sondern sich um sein Gehirn kümmern, es füttern und die Herausforderung suchen.
Farbenfrohes Ergebnis
Nach einem ausgiebigen Mittagessen, bei dem alle Zeit hatten, sich untereinander auszutauschen beziehungsweise einander kennenzulernen, ging es in einen dynamischen Nachmittag, bei dem der Austausch und die Reflexion noch weiter gefördert wurden: Bei einem Speed-Dating waren von den Vortragenden vorbereitete Fragen zu beantworten. Zum Abschluss präsentierte Sandra Bissig, die Vizepräsidentin des Forum Romand des SVEB, die farbenfrohe kollaborative Wand, auf der die im Laufe des Tages herausgearbeiteten Kernaussagen sowie die während des Speed-Datings gestellten Fragen gesammelt zu sehen waren.